Nachhaltiger Konsum: Discounter können auch Bio

Aldi, Lidl und Co sind zu wichtigen Bio-Händlern geworden. Das erkennen sogar Umweltschützer an. Doch sie fordern strengere Gesetze.

Bio-Produkte verschiedener Lebensmittel-Discounter stehen am 28. Juli 2009 in Berlin auf einem Tisch.

Rund 70 Prozent aller Bio-Käufer*innen kaufen inzwischen im Discounthandel Foto: ap

BERLIN taz | Die Preise ganz unten – und dann noch bio und regional, fair, tierfreundlich und energieeffizient: Deutschlands Discounter können auch nachhaltig. Das zumindest hat das Verbrauchermagainz Öko Test in seiner jüngsten Untersuchung festgestellt.

Sie beobachten damit eine Entwicklung, die seit Jahren anhält: Für Bio-Hersteller sind Discounter wie Aldi, Lidl und Co inzwischen die wichtigsten Abnehmer geworden. Rund 70 Prozent aller Bio-Käufer*innen erstehen ihre biologischen Lebens­mittel inzwischen im Discounthandel. Aldi bezeichnet sich daher bereits selbst als Bio-Marktführer – mit Marktanteilen von 12 Prozent (Aldi Süd) und 14 Prozent (Aldi Nord) – und erntet dafür auch bei Umweltschützern zunehmend verhaltenen Respekt. Bei Greenpeace etwa.

Dirk Zimmermann, Experte für nachhaltige Landwirtschaft in der Umweltschutzorganisation, sagt: „Da sind durchaus Dinge in Bewegung gekommen.“ Echtes Engagement, so sagt Zimmermann allerdings auch, wäre jedoch Engagement für die Sache. Das wiederum könne man in unserem Wirtschaftssystem von Unternehmen nicht unbedingt fordern.

Das sieht auch die Sprecherin vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Joyce Moewius, so: „Händler stellen ins Regal, was sich verkauft.“ Und „da, wo ‚bio‘ draufsteht wird auch alles eingehalten“, so Moewius. Das sei gut so. Wenn man meine, dass Landwirtschaft und Ernährung sich ändern müssten, könne man „bio“ eben nicht nur im Fachhandel verkaufen.

Zu wenige Kontrollen

Jenseits der Bio-Lebensmittel werden jedoch auch schnell die Grenzen des Discounter-Engagements in Sachen Nachhaltigkeit sichtbar. So notiert auch die Zeitschrift Öko Test etwa, dass das Label „regional“ rechtlich nahezu undefiniert sei. Aufdrucke wie „Aus der Region“ oder „Von Hier“ verwiesen meist auf eine Herkunft aus dem jeweiligen Bundesland.

Siegel für das Tierwohl verwirrten die Verbraucher oft durch ähnliche Namen und uneinheitliche Kriterien. Und während Discounter inzwischen Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern als „Bio-Helden“ verkauften, sodass weniger Lebensmittel weggeworfen werden, würden auch weiterhin massenhaft Plastikgetränkeflaschen verkauft und so massig Müll produziert. Auch beim Thema Fairness im Handel führten Discounter in ihren Lieferketten häufig zu wenige Kontrollen durch.

Bei den Discountern ist also noch nicht alles nachhaltig, was grün angemalt ist. Das sieht auch Moewius: „Die Händler machen das, was gesetzlich erlaubt ist und was die Kunden wollen.“ Es sei zu kurz gegriffen, die Verantwortung für nachhaltigen Konsum bei einem der Akteure allein zu belassen. Neben den Discountern selbst seien daher auch Politik und Kund*innen in die Pflicht zu nehmen. Als Leitsatz für Käufer*innen schlägt Moewius vor: „Bio plus regional plus saisonal ist erste Wahl.“

Es braucht Gesetze

Allerdings weisen Fachleute wie der Professor Ulrich Hamm, der sich an der Universität Kassel mit Agrar- und Lebensmittelmarketing beschäftigt, darauf hin, dass sich das Konsumverhalten von Menschen meist nicht kurzfristig ändere.

Auch Moewius sieht deshalb als wichtigen Ansatzpunkt den gesetzlichen Rahmen des Lebensmittelhandels. „Da ist in Sachen Nachhaltigkeit noch Luft nach oben.“ Aktuell gebe es viele schwer bezifferbare, externe Kosten, die der Einzelhandel bei den Lebensmittelpreisen nicht berücksichtigen muss.

Wie mit den Eiern sollte man es auch mit anderen Produkten machen

Hamm nennt als Beispiel etwa den problematischen Wasserverbrauch im südeuropäischen Obst- und Gemüseanbau. Dem Einzelhandel und der Produktion müsse ein gesetzlicher Rahmen bereitgestellt werden, der die Einpreisung ökologischer Kosten vorschreibt.

Darüber hinaus setzt er auf die Verbreitung „gelernter Systeme“, wie die gesetzliche Kennzeichnungspflicht für Eier. Bis zur Einführung im Jahr 2008 machten Eier aus Bio- und Freilandhaltung nur 10 Prozent des Umsatzes aus. Heute sind es 25 Prozent. „Die Kennzeichnungspflicht war ein Riesenerfolg, den man locker auf andere tierische Produkte hätte übertragen könnte“, sagt Hamm.

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