Nachruf auf Heinrich von Lersner: Der Erfinder des 5-Mark-Benzins

Der FDP-Politiker hat entscheidende Sätze der Ökodebatte geprägt. Die Forderungen nach höheren Spritpreisen und dem Tempolimit zählen dazu.

War lange Zeit Präsident des Umweltbundesamts: Heinrich von Lersner (das Archivbild zeigt ihn im Jahr 1989). Bild: imago/Sven Simon

BERLIN taz | Die Erzählung ist falsch. Den Grünen wird nachgesagt, das 5-Mark-Benzin erfunden zu haben, als sie auf ihrem Parteitag 1998 in Magdeburg beschlossen, den Spritpreis mehr als zu verdreifachen. Fast hätte sie das damals den Einzug in den Bundestag gekostet. Doch hinter dem 5-Mark-Benzin steckt eigentlich ein FDP-Politiker und Schwabe: Heinrich Freiherr von Lersner.

Es ist Zeit, den Fehler auszuräumen. Denn der Mann, von dem für die heutige Umweltdebatte entscheidende Äußerungen kommen, ist tot. Von Lersner – ein Nachfahre des mittelalterlichen Ritters Götz von Berlichingen – hat das Umweltbundesamt, die oberste Umweltbehörde in Deutschland, als erster Chef 21 Jahre lang bis zu seiner Pensionierung 1995 in Berlin geleitet.

Und er hat sich eingemischt. Eben mit Sätzen wie diesem: „Es wird wahrscheinlich, wie es bei Prognosen so ist, nicht genau zu fixieren sein, ob der entscheidende Preis bei 2,50 Mark oder 5 Mark für den Liter Benzin liegen muss. Ich denke aber schon, dass es in diese Größenordnung gehen muss“. 1992 war das. In einem Gespräch mit dem Spiegel. Fortan waren die 5 Mark in der Welt.

In einer Studie des Umweltbundesamtes las sich das damals noch etwas genauer. Da hieß es ein Benzinpreis von 4,60 Mark sei so einschneidend, das Autofahrer im Schnitt 20 Prozent weniger fahren würden. Von Lersner wollte weniger Verkehr auf den Straßen. Vom damaligen Sprecher der Bonner CDU-FDP-Bundesregierung wurde er dafür als „absolut inkompete“ und „unzuständig“ abgewatscht.

Von Lersner war auch der erste, der Tempo 100 auf deutschen Autobahnen forderte. Das war schon Anfang der achtziger Jahre. „Meine amerikanischen Freunde sagen, daß das Recht, im Drugstore einen Ballermann zu kaufen, ebenso zum Freiheitssymbol wurde wie bei uns die freien Geschwindigkeiten“, sagte der FDP-Mann. Für ihn war es „skuril“, am Auto den „Freiheitsfetisch“ demonstrieren zu wollen.

Dem Pfeiferaucher ist die Einführung des Katalysators und der Rauchgasentschwefelung bei Kraftwerken zuzurechnen, auch der Ausstieg aus der Asbestproduktion. Er, dem auch so mancher Wutausbruch nachgesagt wurde, wollte sich nicht reinreden lassen. Seiner Behörde „neuen Stils“, wie er das nannte, auch nicht. Das wirkt bis heute nach.

Kein Krawattenzwang

Da gibt es diese Anekdote: In den achtziger Jahren beklagte sich der damalige niedersächsische CDU-Innenminister Wilfried Hasselmann per Brief über die Mitarbeiter von Lersners, weil sie angeblich nicht beamtengemäß gekleidet waren. Von Lersner schrieb zurück ihm sei das egal solange sie „nicht in Badehose“ rumliefen und ihre Arbeit machten. Krawatten sind bis heute in der Behörde selten. Die Kollegen sprechen sich untereinander auch nicht mit „Frau Professorin“ oder „Herr Direktor“ an. Akademische Titel fehlen auch auf den Türschildern.

Entscheidender allerdings: Von Lersner soll extra auf eine höhere Besoldungsstufe und damit auf Geld verzichtet haben, als er gefragt wurde, ob er Amtschef werden wolle. Der Verwaltungsjurist wäre sonst in die Kategorie „politischer Beamter“ gerutscht, die ein neuer Minister einfach austauschen kann. Von Lersner war vor Regierungs- und Politikwechseln sicher. Wie alle, die nach ihm kamen, wie etwa die derzeitige Chefin im Amt, Maria Krautzberger.

Am Dienstag, als von Lersner mit 84 Jahren gestorben ist, lag der Preis für E10-Benzin etwa bei 1,50 Euro. Umgerechnet sind das ohne Preisbereinigung 2,93 Deutsche Mark.

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