Nachruf auf Historiker Fritz Stern: Der New Yorker aus Breslau

Fritz Stern hat nicht nur Geschichte geschrieben, er hat sie auch gemacht. Der liberale Deutschland-Kenner ist am Mittwoch gestorben.

Fritz Stern guckt in die Kamera

Fritz Stern, 2007 Foto: dpa

Behaupte einer, Historiker seien in sich gekehrte Schreibtischarbeiter. Fritz Stern hat nicht nur Geschichte geschrieben, er hat sie auch gemacht. Für das Land, das ihn einst ausgetrieben hatte. „Gelegentlich ein bisschen mitwirken zu können, war mir eine Freude – nicht nur um Deutschland willen“, so kommentierte er bescheiden seinen Anteil.

Geboren wurde Stern 1926 in Breslau in einem jüdischstämmigen Elternhaus. Seine Eltern ließen ihn taufen. Er war fünf Jahre alt, da kamen die Nazis an die Macht und überzogen auch die Familie Stern mit ihren Diskriminierungen und Schikanen. 1938 gelang die Emigration in die USA. Seit 1947 war Fritz Stern amerikanischer Staatsbürger.

Doch Deutschland ließ ihn nicht los. Es sei „keine prinzipielle Entscheidung“ gewesen, nicht in Deutschland zu leben, sagte er später. Stern studierte Geschichte an der New Yorker Columbia-Universität und promovierte über den Nationalismus im 19. Jahrhundert. Gastprofessuren führten ihn später nach Berlin, Mainz und Jena. Besonders seine profunden Kenntnisse zum 19. Jahrhundert machten Stern zu einem der bedeutendsten Historiker.

Und er mischte sich ein: 1990 überzeugte er die britische Premierministerin Margaret Thatcher, dass von einem wiedervereinten Deutschland keine Gefahr mehr ausginge. Eine „zweite Chance“ nannte er das gemeinsame Deutschland. „Fünf Deutschland und ein Leben“ lautet der Titel seiner Autobiografie, in der er daran erinnerte, dass er das Land als Weimarer Republik, zur NS-Zeit, geteilt in BRD und DDR und wiedervereint miterlebt hatte.

Stern scheute keine Konflikte und keine Öffentlichkeit. Hoch geehrt trat der New Yorker Breslauer gerne zusammen mit deutschen Politikern auf. Gespräche zwischen ihm und Helmut Schmidt sowie Joschka Fischer fanden in Buchdeckel gepresst ein breites Publikum.

Fritz Stern, der große liberale Deutschland-Kenner, ist am Mittwoch im Alter von 90 Jahren in New York gestorben. Die Zukunft sah er zuletzt düster. Im Januar äußerte er: „Ich glaube, wir stehen vor einem Zeitalter der Angst, der weit verbreiteten Angst, der von rechts aus gesehen politisch ausgenutzten Angst.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.