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Nachruf auf Ruth WeissSie nannten sie „Ruth Weiss-heit“

Die jüdischstämmige Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin Ruth Weiss ist im Alter von 101 Jahren gestorben.

Ruth Weiss spricht 2023 während einer Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Landtag von Nordrhein-Westfalen Foto: Oliver Berg/dpa

Ruth Weiss strahlte Humor, Lebensweisheit und eine herzliche Zugewandtheit aus, manche nannten sie deshalb auch „Ruth Weiss-heit“. Noch mit hundert Jahren wirkte sie lebendiger als viele Jüngere. Vor Kurzem 101 geworden, starb die jüdische Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin am vergangenen Freitag in ihrer Wahlheimat Dänemark. Sie hinterließ dort ihren Sohn mit dessen Familie sowie etwa 80 Bücher: autobiografische Werke, mehrere Bände über jüdische Geschichte sowie Kinderbücher, Romane und Krimis mit der Hauptperson „Miss Moore“.

Ruth Weiss wurde 1924 in eine jüdische Familie im bayerischen Fürth hineingeboren und musste deshalb 1936 mit ihrer Familie nach Südafrika fliehen. Dort schrieb sie als Wirtschaftsjournalistin für britische und südafrikanische Zeitungen und erhob ihre Stimme gegen Rassismus und Diskriminierung.

Deshalb wurde sie ausgewiesen, zuerst aus Südafrika, dann 1968 aus dem damaligen Rhodesien. Danach lebte sie in London, Köln und Münster. In ihrem letzten, erst vor Kurzem erschienenen Buch „Erinnern heißt Handeln – Mein Jahrhundertleben für Demokratie und Menschlichkeit“ schreibt sie: Die beiden Erfahrungen in Nazideutschland und im rassistischen Südafrika „ergänzten und verstärkten sich gegenseitig und brachten mich zu einer konsequenten Haltung gegenüber jeglicher Art von Ausgrenzung. Mein Handeln war das Schreiben, meine Waffe war die Feder, oder besser gesagt: die Schreibmaschine. Als Journalistin wollte ich die Ungerechtigkeit bekämpfen, Missstände aufdecken, Fakten für sich sprechen lassen.“ Im südlichen Afrika hatte sie so das Vertrauen der Befreiungsbewegungen gewonnen und eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung einer Verhandlungslösung mit dem Apartheidregime gespielt.

In Deutschland hielt sie als Zeitzeugin der Nazizeit und Autorin des Buches „Meine Schwester Sara“ in Hunderten von Schulen Lesungen ab und motivierte junge Menschen, wachsam zu sein gegenüber den Gefahren von Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus. Auch zum Israel-Palästina-Konflikt erhob sie ihre Stimme.

7. Oktober und Krieg in Gaza

In „Erinnern heißt Handeln“ schrieb sie: „Beide Völker, das jüdische wie das arabisch-palästinensische, haben das Recht, in Palästina zu leben! Und so sehr ich den abscheulichen, durch nichts zu rechtfertigenden Terror­überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 verurteile und seine jüdischen Opfer beklage und betrauere, so sehr beklage und betrauere ich auch das Leid und den Tod der vielen unschuldigen zivilen Opfer von Israels Krieg im Gazastreifen, vor allem der vielen Kinder. Der Hass, der durch jedes weitere Todesopfer immer weiter wächst, wird die Tragödie für beide Völker nur noch weiter verlängern.“ Sie habe jedoch die Hoffnung, dass der Konflikt ähnlich wie in Südafrika beigelegt werden könne.

Ruth Weiss wurde 2005 für den Friedensnobelpreis nominiert, zusammen mit anderen 999 Friedensfrauen im Rahmen der Schweizer Initiative „1000 Peacewomen Across the Globe“. 2023 verlieh ihr der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa den höchsten Nationalorden Südafrikas. In Aschaffenburg wurde eine Realschule nach ihr benannt. Und 2024 erhielt sie das Große Bundesverdienstkreuz. Aus ihrem riesigen Freundeskreis entstand die „Ruth Weiss Gesellschaft“. „Wir verneigen uns in Liebe und Dankbarkeit vor diesem großen Menschen“, schrieb der Vereinsvorstand zu ihrem Tod.

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