Nachruf auf Tina Turner: „Leder wirft keine Falten“

Die Sängerin Tina Turner war mit ihrer Karriere jenseits der 45 ein Vorbild gegen Alterungsangst junger Frauen. Rückblick eines 66-jährigen weiblichen Fans.

Turner tanzt auf der Bühne und singt mit ausgebreiteten Armen

Ikone für Sexyness, Attraktivität und Stärke: Tina Turner 2000 beiKonzert in den Niederlanden Foto: Ed Oudenaarden/dpa

BERLIN taz | 3. März 1985, Deutschlandhalle. Das Konzert ist ausverkauft. Nicht wenige im Publikum sind angekokst. Und da kommt sie, läuft die Treppe hinunter im Ledermini und auf ihren High Heels. Man sorgt sich ein bisschen, sie könne stürzen, aber die Sorge ist unbegründet. Tina Turner ist ein Profi. Und sie war damals eine Ikone für Sexyness, Attraktivität und Stärke in einem Alter, mit 45, in dem Frauen in der öffentlichen Darstellung eigentlich als abgemeiert galten. Als damals fast 30-Jährige stand man begeistert vor der Bühne und tanzte und klatschte und war innerlich beruhigt: Hier verschiebt eine Sängerin die Altersmaßstäbe. Danke!

Damals, in den 1980ern, herrschte noch die Vorstellung, dass Frauen jenseits der 30 auf einer Art abschüssiger Bahn langsam hineinrutschen in die Unattraktivität und dem ohnmächtig ausgeliefert sind. Da kam Turner gerade recht. Sie, die einmal freimütig erklärte, dass Sex in ihrem privaten Leben „keine Prioriät“ hatte, verwandelte sich auf der Bühne in eine Person voller Energie, die mit heterosexueller Sexsymbolik spielte.

„Tatsächlich hatte mein sexy Bühnenoutfit eher praktische Gründe. Netzstrumpfhosen haben seltener Laufmaschen als normale Strumpfhosen. In einem kurzen Rock, der die Beine frei lässt, tanzt es sich besser, und er kaschierte meinen kurzen Oberkörper. Auf Leder sieht man weder Schweiß noch Schmutz, und Leder wirft keine Falten. So viel zum Thema Sexappeal“, schrieb sie in ihrer Autobiografie „My Love Story“.

Es gab in den späteren Jahren kritische Fragen, ob sie denn noch mit 60 Jahren im Mini auf der Bühne stehen sollte? Die Kritik kümmerte sie nicht. Sie machte immer ihr eigenes Ding, der männliche Blick war nicht alles. „Mir war nicht daran gelegen, wie die Männer auf mein Aussehen reagierten“, erklärte sie, „ich spielte für die Frauen im Publikum. Hat man die Mädels auf seiner Seite, kriegt man auch die Jungs.“

Sie trug immer, auch privat, Perücke. Auf der Bühne war es die typische Tina-Turner-Löwenmähne mit blonden Strähnen, die lebhaft mitschwangen, wenn sie tanzte. Die Perücken waren praktischer, als ständig das eigene widerspenstige Haar stylen zu müssen, erklärte sie. Wobei die Perücke allerdings im Privatleben ein Hindernis darstellte: Sie machte sich Sorgen, wie ein neuer Mann auf ihre Perücke reagieren könnte.

Tina Turner

„Ich spielte für die Frauen im Publikum. Hat man die Mädels auf seiner Seite, kriegt man auch die Jungs.“

„Da glaubte er, eine romantische Beziehung mit der glamourösen Tina und ihrer üppigen Haarpracht einzugehen, nur um dann neben der unscheinbaren und glattrasierten Anna Mae aufzuwachen“, schrieb sie, „was, wenn ihn mein wahres Ich enttäuschte? Dies war ein Risiko, das mich immer ein bisschen nervös machte.“ Doch dann kam Erwin Bach, der Musikmanager aus Deutschland, und blieb, bis zum Schluss.

Turner zeigte wie alle populären Rollenmodelle immer ihre Verletzlichkeit, auch im Alter, als sie über den Schwindel, den Schlaganfall, den Darmkrebs und die Nierenerkrankung schrieb, und wie sie mit Meditation gegen schlechte Gefühle kämpfte. So konnte man als Fan auch ein bisschen altern mit ihr.

Vor Weihnachten war der Krebs zurückgekommen, die von Erwin gespendete Niere funktionierte nicht richtig. Man ahnte schon etwas. Und jetzt ist es passiert.

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