Nachwuchsprobleme im Tor: Schuld ist nur die Playstation

Der italienische Fußball, sonst so stolz auf seine Torhütertradition, hat ein Problem zwischen den Pfosten: In der Serie A spielen importierte Keeper, der eigene Nachwuchs wandert ab.

Der viermalige Welttorhüter Gianluigi Buffon fällt erst einmal aus. Bild: ap

ROM taz Gianluigi Buffon ist verletzt. Der viermalige Welttorhüter kuriert eine Zerrung im rechten Oberschenkel aus und wird frühestens im Januar zwischen die Pfosten zurückkehren. Zudem setzen ihm von Zeit zu Zeit depressive Attacken zu, wie er während seiner Zwangspause bekannt hatte. Im Juve-Tor vertritt ihn mit Alex Manninger ein Österreicher. Der macht das recht solide. Weil der aber schon 31 Jahre alt ist, baut das Juve-Management vor - und setzt auf einen 20-jährigen Bulgaren und einen gleichaltrigen Rumänen.

In anderen Vereinen der Serie A sieht es kaum anders aus. Denn der italienische Fußball hat ein Torhüterproblem. In Florenz steht der Franzose Sebastian Frey im Tor, der sich selbst als technisch so gut sieht wie Buffon und nur noch ein paar Jahre Erfahrung als Rückstand anerkennt. Seine Paraden haben dem Toscana-Club die Tür zum Uefa-Cup offengehalten.

Udinese vertraut dem Slowenen Samir Handanovic und Neapel dem jungen Argentinier Nicolas Navarro. Dessen Landsmann Juan Pablo Carrizo ist Stammkeeper bei Lazio Rom. Die italienische Torhüterlegende Walter Zenga, mittlerweile Trainer in Catania, sieht seine Reinkarnation ebenfalls in einem Gaucho: Albano Bizzarri ist für die solide Halbsaison des nominellen Abstiegskandidaten mitverantwortlich.

Selbst aus Brasilien kommt gleich ein halbes Dutzend der letzten Männer: Rubinho liefert bei Genoa solide Leistungen ab. Julio Cesar ist bei Inter unangefochten die Nummer eins. Dida steht nach auskurierter Verletzung bei Milan wieder in Lauerstellung hinter Christian Abbiati. Und der AS Rom hat seine gesamte Torwartabteilung mit Männern aus der Region bestückt, die vor kurzen noch als Biotop der Fliegenfänger galt. Doni, Artur und Julio Sergio stammen allesamt aus Brasilien. Sie falsifizieren Wochenende für Wochenende die Legende, dass im Lande des Zuckerhuts immer nur die ins Tor gesteckt werden, die mit dem Ball überhaupt nichts anfangen können, aber dennoch nicht allein am Strand sein wollen.

Italiens Hoffnungen hingegen wandern ins Ausland ab. Der langjährige Buffon-Stellvertreter im Azzurri-Trikot, Morgan de Sanctis, spielt bei Galatasaray Istanbul.

Flavio Roma, bereits bei drei Länderspielen eingesetzt, ist beim AS Monaco unter Vertrag.

Ivan Pelizzoli, zwei Länderspieleinsätze und Olympiabronze 2004 auf dem Konto, folgte dem Lockruf des Rubels nach Moskau. Dort hat er festgestellt: "Die Trainingsmethoden hier sind zu 100 Prozent italienisch. Die Ausländer haben alle unsere Geheimnisse geraubt."

Pelizzoli, in der Vergangenheit für Atalanta, AS Rom und Reggina in der Serie A aktiv, beklagt, dass den ausländischen Torhütern von italienischen Clubs mehr Vertrauen entgegengebracht wird. Auch Marco Amelia, eines der wenigen Eigengewächse im besten Fußballeralter, das der Serie A verblieben ist, meint: "Leistet sich einer von uns einen Patzer, wird er gleich auf die Bank gesetzt. Mit den Ausländern hingegen hat man mehr Geduld."

Antonello Brambilla, von Walter Zenga engagierter Spezialist für die Torhüterausbildung, sieht die Sachlage etwas anders. "Die jungen Keeper, die aus dem Ausland kommen, sind hungriger als die Italiener", sagte er der Gazzetta dello Sport. "Mehr Schweiß auf dem Platz und weniger Playstation", empfiehlt er daher seinen Landsleuten. Auch er konstatiert allerdings einen Knowhow-Transfer: "Anfangs sind die jungen Ausländer auf einem schlechteren technischen Niveau als die Italiener. Doch dank des Trainings in den Clubs vollziehen sie größere Leistungssprünge."

Eine klassische Torhüterschule sieht er in Italien allerdings nicht: "Es hat niemals eine derartige Struktur im Verband existiert. Es gab allerdings große Keeper, die später ihr Wissen weitergegeben haben."

Der Verband unternimmt nun einen ersten Schritt, dieses Wissen zu systematisieren und vorzugsweise dem eigenen Nachwuchs zugute kommen zu lassen. Spieler wie die Inter-Legende Ivano Bordon und die Juve-Ikone Angelo Peruzzi leiten eine Reihe von Seminaren für die besten Keeper des Landes im Alter von 15 bis 18 Jahren. 23 von ihnen werden regelmäßig im Verbandsstützpunkt Coverciano zusammengezogen. Dort ist die Suche nach einem neuen Buffon nun im Gange.

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