Nächtliche Gewalt in Den Haag: Straßenschlachten mit der Polizei

Der Tod von Mitch Hernandez in Polizeigewahrsam löst andauernde nächtliche Krawalle aus. Das Viertel Schilderswijk in Den Haag ist berüchtigt.

brennende Barrikaden in Den Haag

Nacht für Nacht brennen die Barrikaden im Viertel Schilderswijk in Den Haag. Foto: dpa

DEN HAAG taz | Es ist ein explosiver Sommer in der niederländischen Stadt. Seit Beginn der Woche kommt es im Quartier Schilderswijk südwestlich des Zentrums Nacht für Nacht zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. In der Nacht zu Donnerstag wurden Schaufenster eingeschlagen, Feuer gelegt und ein Kulturzentrum verwüstet. 34 Demonstranten wurden festgenommen.

Die Polizei setzte Schlagstöcke, Pferde und Hunde ein. Demonstranten griffen zu Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern und versuchten, eine Polizeiwache zu stürmen. Ein Beamter wurde mit einem brennbaren Stoff übergossen.

Auslöser der Proteste ist der Tod des Arubaners Mitch Henriquez, 42, der in den Niederlanden zu Besuch war. Vergangenen Samstag Abend wurde Henriquez bei einem Open Air- Musikfestival in Den Haag festgenommen. Die Polizei beruft sich auf mehrere Besucher, denen zufolge er gerufen habe, er trüge eine Waffe.

Bei der Festnahme entstand ein Gemenge, wonach fünf Polizisten den Arubaner mit Gewalt auf den Boden drückten. Ein Filmausschnitt zeigt diese Szene etwa eine Minute lang. Am Ende bewegt sich Henriquez nicht mehr, die Polizisten werden sichtlich nervös, Umstehende beginnen zu schreien. Am Sonntag stirbt Henriquez im Krankenhaus.

Rassistische Gewalt der Polizei

Eine Obduktion zu Wochenbeginn nennt Sauerstoffmangel als Todesursache. Dieser sei „sehr wahrscheinlich durch den Polizeieinsatz verursacht”, so Kitty Nooy von der Staatsanwaltschaft Den Haag. Die Umstände sollten „sehr sorgfältig untersucht” werden. Die fünf Beamten seien verdächtig, an Henriquez‘ Tod beteiligt zu sein.

Der Haager Polizeichef Paul van Musscher sagte, sie seien umgehend suspendiert worden. Dass ein Verdächtiger bei einer Festnahme ums Leben kommt, nannte er „schrecklich”. Henriquez‘ Angehörige machen den niederländischen Staat für seinen Tod verantwortlich und kündigten ein gerichtliches Vorgehen an.

Die Proteste im Viertel wenden sich von Beginn an ausdrücklich gegen Polizeigewalt. Begleitet sind sie von „Polizei-Mörder”- Rufen. Auch in der Nacht zu Donnerstag stand am Anfang eine Demonstration vor der Polizeiwache in Schilderswijk.

Im Fokus war dabei das vermeintlich rassistische Auftreten der Beamten. „Es muss nicht nur Gerechtigkeit für Mitch geben, sondern auch Schluss sein mit ethnischem Profiling und (rassistischer) Polizeigewalt. Weiterhin fordern Demonstranten im Fall polizeilicher Gewalt eine unabhängige Untersuchung und den Rücktritt des Polizeichefs Van Musscher.“ Der Lokal- Sender Omroep West zitierte 2013 in einer Reportage mehrere Ex- Beamte, die von Einschüchterung, Gewalt und Rassismus seitens der Polizei im Viertel sprechen.

Den Haag hat in dieser Hinsicht ohnehin einen zweifelhaften Ruf. Ende 2012 erschoss ein Polizist auf dem Bahnhof Hollands Spoor den 17jährigen Rishi Chandrikasing. Dieser soll zuvor einen Mann bedroht und ihm gesagt haben, er trage eine Waffe. Chandrikasing, übrigens unbewaffnet, wurde auf der Flucht vor Polizisten erschossen. 2013 wurde der Schütze vom Verdacht des Mords, bzw. Totschlags freigesprochen. Mehrere dschihadistische Kundgebungen und Rufe wie „Scheiß-Juden“ lassen das Viertel Schilderswijk nicht gerade im besten Ruf erscheinen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.