Nationalpark im Nordschwarzwald: Sehen statt sägen

Grün-Rot in Stuttgart legt eine Studie zum neuem Nationalpark vor, der Tourismus fördern und Natur schützen soll. Kritiker fürchten „Verrummelung".

So schön. Und umstritten. Der Nordschwarzwald. Bild: dpa

FREIBURG taz | Mit einem Nationalpark Nordschwarzwald will die baden-württembergische Landesregierung den Naturschutz und die lokale Wirtschaft gleichermaßen fördern. Durch ein Gutachten, das die Beratungsfirmen PricewaterhouseCoopers und ökonzept aus Freiburg im Auftrag der Landesregierung erstellten, fühlt diese sich nun in ihrem Ansinnen bestätigt. Am Montag präsentierten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein grüner Minister für Ländlichen Raum, Alexander Bonde, die Studie.

Im Gebiet Bad Wildbad-Baiersbronn will die grün-rote Landesregierung etwa 10.000 Hektar als Nationalpark ausweisen, das sind 0,7 Prozent der gesamten Waldfläche Baden-Württembergs. Drei Areale stehen zur Diskussion, wobei das Gebiet Schliffkopf-Ruhestein mit gut 9.100 Hektar das größte ist. Der Nationalpark eröffne Raum zur freien Entwicklung der Natur, sagte Bonde. Allerdings soll deshalb weniger Holz geschlagen werden, weshalb die Sägeindustrie den Nationalpark ablehnt. Die Einschlagmenge wird im betreffenden Gebiet laut Gutachten auf 47 Prozent bis 61 Prozent der bisherigen Menge zurückgehen.

Das Ministerium und die landeseigene ForstBW haben den Sägebetrieben inzwischen jedoch zugesichert, dass die Mindermengen durch Holz aus anderen Gebieten des Staatswaldes zu Marktkonditionen kompensiert würden. Die örtliche Sägeindustrie habe daher „keine negativen wirtschaftlichen Folgen und kein Arbeitsplatzverlust“ zu erwarten, sagte Bonde.

Ökonomisch attraktiv soll der Nationalpark durch zusätzlichen Tourismus werden. „Natur ist ein bedeutendes Reisethema“, schreiben die Gutachter und stellen fest: „Nationalparks sind das am stärksten wachsende touristische Nachfragesegment.“ Die Gutachter rechnen mit gut drei Millionen Nationalparkbesuchern pro Jahr. 190.000 Übernachtungsbesucher und etwa 255.000 Tagesbesucher würden wegen des Parks zusätzlich die Region bereisen und etwa 18,3 Millionen Euro an zusätzlichen Umsätzen bringen. Das entspreche etwa 430 Vollzeitarbeitsplätzen. Schon heute ist der Tourismus der wichtigster Arbeitgeber im Schwarzwald.

Schwarzwaldverein fordert schlüssiges Verkehrskonzept

Doch die Aussicht auf wachsenden Fremdenverkehr alarmiert auch Kritiker. Der Schwarzwaldverein fürchtet eine „weitere Verrummelung“ für die Naturlandschaft. Vor allen Dingen fordert er ein „schlüssiges Verkehrskonzept“. Bereits heute sei die Region vor allem an Wochenenden „durch Autoverkehr, überfüllte Parkplätze und Motorradverlärmung“ überlastet. Steuere man nicht gegen, werde sich die Situation mit der erwartete Zunahme des Tagestourismus noch verschärfen.

Unter dem Namen „Nationalpark-Plus“ fordert der einflussreiche Verband, die Pläne zum einen durch einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu flankieren. Zugleich seien aber auch „restriktive Maßnahmen“, wie der „Rückbau von verzichtbaren Erschließungen“, die „zeitweilige Sperrung“ von Straßen und die „zeitliche und räumliche Einschränkung des Individualverkehrs“ nötig – etwa durch „lärmfreie Wandersonntage“.

Unterdessen fordert die FDP-Landtagsfraktion, man müsse die Bürger vor Ort über den Nationalpark abstimmen lassen. Denn es werde „außerhalb der Kernzone durch den Ausbau der Randbereiche mit Besucherzentren, Tierparks oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu einschneidenden Änderungen“ in der Region kommen.

Zustimmung äußerten Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). „Für viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten wird der Nationalpark eine deutliche Verbesserung ihres Lebensraums bedeuten“, sagte die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender. Auch Greenpeace-Waldexperte Luis Scheuermann sprach von einem „Meilenstein für den Arten- und Naturschutz“.

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