"Nationalsozialistischer Untergrund": Bekenntnis per Paulchen-Panther-Clip

Ermittler entdecken DVDs, auf denen sich eine Nazi-Terrorgruppe indirekt zu den "Döner-Morden" und Polizistenmord bekennt – in Form eines "Paulchen Panther"-Videos.

Spurensicherung in Zwickau: Die Reste der gesprengten Wohnung des Nazi-Trios. Bild: reuters

BERLIN taz | Auf den in dem abgebrannten Wohnhaus des Neonazi-Trios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Z. gefundenen DVDs befindet sich eine Art Bekennervideo einer rechtsextremen Gruppe namens "Nationalsozialistischer Untergrund".

Nach taz-Informationen werden in einem auf den Datenträgern gespeicherten Clip Zeitungsausschnitte über die sogenannten „Döner-Morde“ eingeblendet. In einer anderen Sequenz hält die Comicfigur Paulchen Panther (aus "Der rosarote Panther") einem Polizisten eine Pistole an den Kopf und drückt ab. "Wir oder sie", heißt es am Ende des Clips.

Zudem wird auf der DVD nach Angaben aus Sicherheitskreisen eine Fortsetzung angekündigt: "Nationalsozialistischer Untergrund II". Die Bundesanwaltschaft vermutet, dass die rechtsextreme Terrorgruppe für die als „Döner-Morde“ bezeichnete Mordserie verantwortlich ist, bei der zwischen 2000 und 2006 acht türkisch- und ein griechischstämmiger Ladenbesitzer in verschiedenen deutschen Städten erschossen wurden.

Das Neonazi-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Z. wird auch verdächtigt, hinter dem Mord an einer Polizistin in Heilbronn im April 2007 zu stehen, die mit einem Kopfschuss erschossen wurde. Die nun aufgetauchten DVDs könnten als Tateingeständnis gewertet werden.

Das Haus gesprengt, um Beweise zu vernichten

Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren vor einer Woche nach einem Banküberfall im thüringischen Eisenach tot in einem Wohnmobil aufgefunden worden. Beate Z. stellte sich am Dienstag der Polizei, nachdem sie vorher wohl das gemeinsame Wohnhaus der drei im sächsischen Zwickau in die Luft gesprengt hatte, vermutlich um Beweise zu vernichten. Sie verweigert bisher die Aussage.

In den Resten des abgebrannten Wohnhauses in Zwickau fanden die Ermittler die bei der „Döner-Mordserie“ benutzte Tatwaffe, eine Pistole Modell Ceska 83, und mehrere versandfertige DVDs des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Nach taz-Informationen sollen einzelne Exemplare der DVD schon verschickt worden sein.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zog am Freitagnachmittag den Fall an sich und ermittelt nun gegen Beate Z. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und wegen Mordverdachts. Zudem will sie herausfinden, ob eine "Verstrickung möglicher weiterer Personen aus rechtsextremistischen Kreisen in die Taten" besteht. In Niedersachsen wurde laut Medienberichten ein Mann festgenommen, der den Verdächtigen vor Jahren gegen Geld seinen Personalausweis überlassen haben soll.

Weitere Anschläge?

Außerdem prüft die Polizei in Nordrhein-Westfalen, ob es einen Zusammenhang mit einem Nagelbombenanschlag in einer überwiegend von türkischstämmigen Migranten bewohnten Straße in Köln im Jahr 2004 und dem Anschlag auf jüdische Aussiedler an einer S-Bahn-Haltestelle in Düsseldorf im Jahr 2000 gibt. Es gebe Hinweise, hieß es bei der Bundesanwaltschaft am Samstag, bisher aber keine "zureichenden Anhaltspunkte".

Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Z. gehörten in den 90er Jahren der militanten Neonazi-Kameradschaft "Thüringer Heimatschutz" an. 1998 wurde in einer von Beate Z. angemieteten Garage in Jena eine Bombenwerkstatt ausgehoben – doch da waren die drei schon untergetaucht und blieben 13 Jahre verschwunden. In dieser Zeit sollen sie eine ganze Serie von Bankrauben verübt haben.

Verfassungsschutz-Affäre

Bis heute ist unklar, wie dem Trio trotz angeblicher Beobachtung durch den Verfassungsschutz und die Polizei damals die Flucht gelingen konnte. Der Thüringer Innenminister Jörg Geibert (CDU) kündigte an, eine unabhängige Kommission einzusetzen, die die Vorgänge von Ende der 90er-Jahre untersuchen soll. Der Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt sollen bewusst nicht daran beteiligt werden.

Der Hintergrund: Der Kopf des militanten "Thüringer Heimatschutzes" war, wie später bekannt wurde, V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes. Sogar der als Law-and-Order-Mann bekannte CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl glaubt nun, der Fall könnte sich zu einer Verfassungsschutz-Affäre auswachsen: "Ich habe das Gefühl, das wird noch sehr interessant."

"Wenn der CSU-Innenexperte Uhl befürchtet, aus der Mordserie könnte eine Geheimdienstaffäre werden, dann irrt er oder nimmt die Realität nicht zur Kenntnis", sagt dagegen die sächsische Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz. "Es handelt sich bereits jetzt um einen handfesten Verfassungsschutzskandal."

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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