Nazi-Rocker verhaftet: Die Ehre der Kutte

Ein Mitglied eines rechten Rockerclubs aus Wismar soll einen Mann niedergestochen haben. Die „Schwarze Schar“ hat einen braunen Hintergrund.

Aggressionspotenzial: Die Staatsanwaltschaft wirft Christian G. (Mitte) versuchten Mord vor. Bild: Otto Belina

HAMBURG taz | Am kommenden Freitag findet im Clubhaus der Rockergruppe „Schwarze Schar MC“ ein „offener Abend“ statt. „Wir freuen uns über die zahlreichen Anfragen“, schreibt Rockerchef Philip Schlaffer auf Facebook. Ab 19 Uhr beginnt die „gemütliche Runde bei Bratwurst und Bier“ bei dem Club, dessen Mitglieder „deutscher Herkunft“ seien müssen. Fehlen wird Schar-Mitglied Christian G.: Er sitzt in Untersuchungshaft – Tatvorwurf: Mordversuch.

In der vergangenen Woche wurde der 25-jährige Wismaraner unter starken Sicherheitsvorkehrungen dem Amtsgericht Hagenow vorgeführt. Die Polizei hatte in der westmecklenburgischen Rockerszene nach dem Verdächtigen gefahndet. Denn die Staatsanwaltschaft Schwerin hält den Kuttenträger der „Schwarzen Schar“ für verdächtig, mit einem stehenden Messer mehrfach auf einen Mann eingestochen zu haben. „Sieben Mal“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz. Mindestens zwei Stiche sollen zu lebensgefährlichen Verletzungen geführt haben.

Beim Altstadtfest in Hagenow war ein vermeintlicher Scherz am Nachmittag des 23. Juni eskaliert. Ein Besucher soll laut vorgelesen haben, was auf der Clubweste des späteren Beschuldigten stand. Der fand das offenbar nicht lustig, sondern respektlos, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Als der Festbesucher das bemerkte, konnte er weglaufen. Seinen Begleiter aber stellte Christian G. und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, um die Telefonnummer des Flüchtigen zu erfahren.

Der Bruder des Angegriffenen schritt ein. Sofort soll der Rocker mit dem Irokesenschnitt sein Messer gezogen haben. Der Bedrohte wich zurück, stolperte jedoch über einen Stein und fiel zu Boden. Daraufhin stach der Täter, der polizeilich bekannt ist, auf das wehrlose Opfer ein, das stationär behandelt werden musste. Staatsanwaltschaft und Amtsgericht gehen wegen des Tatverlaufs von einer Mordabsicht aus.

Im Norden sind längst Misch-Szenen von Rockern und Rechtsextremen in einzeln Regionen entstanden.

In Niedersachen rückten Rechtsextreme und Rockerklubs im "Gremium MC" zusammen.

In Bremen treten Rechtsextreme der "Brigade 8" im Style und Habitus von Rockergruppen auf.

In Schleswig-Holstein haben sich Rechtsextreme den "Bandidos" angeschlossen, die in Kiel einen An und Verkaufsladen führen und Schlüssel, Schlösser und Gravuren anbieten sowie Werkzeug, das sich für Einbrüche eignet.

Die auffällige Kutte mit dem Namenszug „Schwarze Schar MC Wismar“ und einem Totenkopf, unter dem sich Messer und Enterhaken kreuzen, führte die Polizei zur „Schwarzen Schar“, bei der Christian G. seit 2012 Vollmitglied ist.

Vom Naziladen zum Rotlicht

Seit 2008 besteht der Motorradclub um den Präsidenten Philip Schlaffer aus Lübeck. In Wismar begann er seine spezielle Karriere: Der muskelbepackte Glatzkopf betrieb dort den „Werwolf-Shop“, in dem die rechte Szene ein- und ausging. Nicht zufällig erinnert der Name an die Kameradschaft „Werwölfe Wismar“. Während einer Protestaktion gegen Schlaffers Laden stürmten die Werwölfe mit Baseballschlägern auf die Demonstranten los. Polizisten mussten ihre Dienstwaffen ziehen, um die Angreifer zu stoppen.

Den Laden hat Schlaffer aufgegeben. Er soll inzwischen im Rotlicht-Milieu aktiv sein. Der Rechtsextremismusexperte Thomas Kuban schreibt in seinem Rechtsrock-Buch „Blut muss fließen“: „Nazis finden im Rockermilieu die Rahmenbedingungen vor, die sie gewohnt sind – plus mehr Sex und vor allem mehr Geld“. Schlaffers politische Gesinnung soll sich dabei nicht gewandelt haben: Kuban zitiert Schlaffer mit den Worten, er werde der Bewegung und dem „national-sozialistischen Gedankengut“ treu bleiben.

Stramm rechte, gewaltbereite Rocker

Dass die „Schar“ nur„Deutsche“ aufnimmt deutet den politischen Anspruch ebenso an wie die Tattoos einzelner Mitglieder: Der Code „14 Words“ spielt auf einen Satz des US-Rechtsterroristen David Eden Lange an: „Wir müssen den Fortbestand unseres Volkes und die Zukunft weißer Kinder sichern.“ Der Name selbst, so heißt es auf der Website des Clubs, beziehe sich auf das „Freikorps“ des „Schwarzen Herzogs“ Friedrich Wilhelm von Braunschweig, das gegen die „französische Besatzung Deutschlands“ gekämpft habe.

Die Polizei Mecklenburg-Vorpommerns zählt die „Schwarze Schar“ zu den 27 gewaltbereiten Rockergruppierungen. Den Schar-Rockern schreiben Ermittler rund 170 Straftaten zu. Jede fünfte Tat könne als politisch motiviert betrachtet werden.

Im Clubhaus im Gewerbegebiet Gägelow richtet die „Schar“ Partys aus. Am 1. Mai unterband die Polizei eine Motorradtour. Via Website drohte der MC prompt: „Den Feierabend und die Überstunden der Beamten bestimmen wir in der nächsten Zeit.“

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