Neben A 100 belastet weiterer Zoff Rot-Grün: SPD bringt Polizeichef mit in die Ehe

Bisher glaubten die Grünen, sie können bei der Neubesetzung des Polizeipräsidenten mitentscheiden. Doch die SPD schafft Fakten, direkt vor dem geplanten Beginn der Koalitionsverhandlungen.

In einer wegen des Streits um die Autobahn 100 ohnehin angespannten Atmosphäre entfacht die SPD einen zweiten Konflikt: Sie will kurz vor Beginn rot-grüner Koalitionsgespräche im Alleingang ihren Wunschkandidaten Udo Hansen als Polizeipräsidenten durchsetzen. Bild: DPA

Den kommenden Mittwoch sollten sich die Grünen rot im Kalender ankreuzen. Wenn alles nach Plan läuft, beginnen am Mittwoch die rot-grünen Koalitionsverhandlungen. Es könnte aber auch der Tag sein, an dem der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Berlins neuen Polizeipräsisdenten präsentiert. Vieles spricht dafür, dass der Udo Hansen heißt.

Für die Grünen, die eine Neuausschreibung des Postens fordern, wäre das ein schwerer Affront. Immerhin wird der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann als Nachfolger des mutmaßlich aus dem Amt scheidenden Innensenators Ehrhart Körting (SPD) gehandelt. Mit Hansen würde die SPD dem grünen Innensenator in spe ein echtes Kuckucksei ins Nest legen. Auf dieses mögliche Szenario angesprochen, sagte der Landesvorsitzende der Grünen, Daniel Wesener, der taz: "Wir erwarten, dass vor der Aufnahme der Koalitionsverhandlungen keine Tatsachen geschaffen werden."

Die Indizien sprechen gegen Weseners Annahme. Am kommenden Dienstag gibt es ein Assessment-Center mit den Bewerbern Klaus Keese und Udo Hansen. Danach wird der Sieger gekürt. Es wäre keine Überraschung, wenn der Hansen heißt. Um ihn zu ernennen, bedürfte es vermutlich auch keines neuerlichen Senatsbeschlusses. Schon Mittwoch könnte Hansen seine Urkunde im Empfang nehmen.

Der umstrittene 58-jährige frühere Chef des Grenzschutzpräsidiums Ost, Udo Hansen ist Körtings Wunschkandidat. Die Ernennung Hansen war im Juli in letzter Minute daran gescheitert, dass der unterlegene Mitbwerber - der Leiter der Direktion 1, Klaus Keese - vom Verwaltungsgericht Recht bekommen hatte. Das Gericht machte Fehler im Auswahlverfahren aus: Hansens und Keeses Eignung für das Amt müsse in einem Assessment-Center beurteilt werden. Das war nicht geschehen.

Es hätte von Stil gezeugt, hätte die SPD die Entscheidung bis zur Konstituierung des neuen Senats vertagt. Schließlich ist der Posten des Polizeipräsidenten schon seit Juni vakant. Das war das Datum, an dem sich Dieter Glietsch in den Ruhestand verabschiedet hatte. Seither führt die Polizeivizepräsidentin Margarte Koppers die Geschäfte. Koppers, für viele in der Behörde die Wunschkandidatin, konnte sich nicht bewerben, weil sie keine Vollzugsdiensterfahrung hat. Um ihre Bewerbung zu ermöglichen, müsste das Bewerbungsverfahren vollkommmen neu aufgerollt werden. Linke und Grüne haben das bereits vor der Wahl gefordert.

Über Hansen ist in den letzten Monaten viel spekukliert worden. Dem 58-jährigen Musiker, der von der Bundespolizeiselitetruppe GSG bis zum Bundesgrenzschutz alles durch hat, eilt der Ruf eines Hardliners voraus. Was seine mögliche Ernennung pikant macht: 2008 hat er sich aus gesundheitlichen Gründen in den Vorruhestand verabschiedet. Offzielle Diagnose: Burnout.

Hansen ist SPD Mitglied. Die Frühpensionierung war ein Deal mit dem CDU-Bundesinnenminsterium, das ihn bei der Neuorganisation der Bundespolizei nicht befördern wollte. Versüßt wurde ihm der Abgang mit Beraterverträgen. Irgendwann in dieser Zeit war Hansen auch für den europäischen Rüstungskonzern EADS in Saudi-Arabien tätig, in einer der schlimmsten Diktaturen der Welt. Dort war er an der Ausbildung von saudi-arbischen Grenzpolizisten beteiligt. Eine der ersten Fragen, die Hansen auf seiner Antrittspressekonferenz gestellt werden dürfte, ist wohl die: Warum hat er den Job in Saudi-Arabien nach ein paar Monaten quittiert?

Körting hat im Sommer gesagt, er halte Hansen für hochqualifziert. Die Wünsche der Polizeibehörde haben ihn als Innensenator schon 2002 nicht interessiert. Damals wollte die Behörde den Vizepräsidenten Gerd Neubeck als Nachfolger von Hagen Saberschinsky sehen. Körting holte Dieter Glietsch aus Nordrhein-Westfalen.

Es deutet sich an, dass Körting nicht noch einmal antritt. Kann er nicht loslassen oder warum puscht der Hansen auf den letzten Metern? Oder ist es in Wirklichkeit Klaus Wowereit, der die Sache so voran treibt? Die Grünen haben das anscheinend noch gar nicht richtig realisiert. Volker Ratzmann sagte am Donnerstag zur taz: "Ich gehe davon aus, dass die Besetzung des Postens Teil der Koalitionsverhandlung ist."

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