Neonazi-Aufmärsche in Deutschland: "Kehrt marsch"

Bundesweit marschieren zum 1. Mai knapp 3.800 Neonazis in sechs Städten auf. In Rostock erhält Udo Pastörs Applaus für seine Parole, Demokraten würden den Volkstod bringen.

Udo Pastörs (Mitte, mit Jackett) umgeben von rechten Kameraden auf der Demo in Rostock. Bild: dpa

HAMBURG taz | "Heraus zum deutschen Arbeiterkampftag": In mehreren Städten riefen NPD und Freie Kameradschaften zum 1. Mai zu Aufmärschen auf. Und mehr als 3.800 Neonazis folgten dem Aufruf in sechs Städten. Doch massive Proteste beeinflussten die Neonazisaufmärsche nachhaltig.

In Rostock verhinderten die Blockaden aber nicht, dass die 600 Mann starke NPD-Truppe mit ihren Botschaften Zuspruch fand. "Wir sehen das mit einen lachenden und weinenden Auge: Uns gelang es, den Marsch in Lütten Klein zu blockieren, in Groß Klein konnten sie laufen und hetzten ", sagt Christine Lehnert vom Bündnis "1. Mai Rostock nazifrei".

In der Hansestadt fand allerdings nicht der größte Aufmarsch statt. In Schweinfurt kamen unter dem Motto "Kapitalismus bedeutet Krieg" mehr als 900 Neonazis zusammen. Vor allem die Kameradschaftsszene, das "Freie Netz Süd", unterstützt von einzelnen NPD-Verbänden, liefen in der fränkischen Stadt auf. Fast zwei Stunden mussten sie jedoch wegen einer Blockade warten, erst dann durfte der Freie Nationalist Dennis Giemsch über die Globalisierung wettern. Doch die Redebeiträge erreichten fast nur die eigenen Kameraden.

Ganz anders in Rostock. Dort kam der Applaus für den NPD-Marsch unter dem Motto "Freiheit statt BRD" auch aus den angrenzenden Wohnhäusern des Stadtteils. "Stimmt doch, was der da sagt", sagte ein Anwohner auf einer Straße in Groß Klein. Über den Lautsprecher dröhnte gerade: "Alles wird teurer". Auf den Balkonen der Hochhaussiedlung ist teilweise zustimmendes Kopfnicken zu sehen. Applaus erhielt auch der NPD-Fraktionschef von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, als er betonte "Die Demokraten bringen den Volkstod". Ernsthafter Protest war in dem Stadtteil nicht zu vernehmen. Ein paar Jugendlichen brüllten kurz "Haut ab", ein älteres Pärchen hatte schnell auf eine Pappe "Nazis raus" geschrieben.

Höchst zufrieden schauten deshalb auch die 600 Neonazis aus. Mit Fahnen und Trommeln voran marschierten sie durch die Straßen und verteilten Flugschriften. "Bitte", "Danke" hieß es oft. "Der NPD gelingt es in Mecklenburg-Vorpommern regelmäßig, sich mit diesen Aktionen in solchen Stadtteilen als jene zu inszenieren, die sich vermeintlich kümmern", sagt Kay Bolick, von LOBBI (Landesweite Opferberatung, Beistand und Information für Betroffener rechter Gewalt).

In Erfurt hatte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt solch ein Forum nicht bekommen. Nach einem Marsch von nur 400 Metern wies die Polizei die rund 400 Neonazis wegen Blockaden auf mehreren Straßen an: "Kehrt marsch". Ohne Erfolg versuchten Rechte in der thüringischen Landeshauptstadt dann bei den Polizeikräften durchzubrechen. "Wir haben den Marsch gestoppt", betonte Susanne Hennig vom "Thüringer Bündnis gegen Rechts".

In Zwickau sprach der sächsische NPD-Fraktionschef Holger Apfel vor etwa 500 Gesinnungsgenossen. Der Protest in Hoyerswerda verzögerte die Anreise der rund 400 Neonazis.

In Berlin wurde an die 280 Neonazis auf den Kudamm in Gewahrsam genommen. Sie hatten sich dort zu einer unerlaubten Spontandemo zusammengefunden. Nach gut 800 Metern war für rund 500 Neonazis am Prenzlauerberg wegen zahlreicher Blockaden entlang der Bornholmer Straße Schluss. Sie mussten umdrehen und wurden mit Sonderzügen nach Potsdam und Oranienburg geschafft.

"Der 1. Mai zeigte, wie selbstbewusst und aktionsorientiert die Szene sein kann", sagt Martin Langebach, Rechtsextremismusexperte an der Universität Düsseldorf. Die dezentrale Aktionsform habe sich für NPD und ihre Kameradschaften bewährt. "Wir dürfen uns auf ähnliche Situationen bei entsprechenden Anlässen einstellen", betont Langebach.

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