Neonazis und Naturschutz: Grün schimmern, braun stinken

Die NPD ist für Erneuerbare Energien und Biolandwirtschaft. Wie die rechte Szene die Umwelt besetzt.

Anti-Gentechnik: Die NPD verweist auf das „jüdische Kapital“ der US-Saatgutkonzerne. Bild: imago / blickwinkel

DEUTSCHLAND zeo2 | Der Redner im Mecklenburgischen Landtag holt zum Rundumschlag aus. Keine Atomtransporte über den Hafen von Rostock! Radioaktive Fracht habe nichts in Ostseehäfen zu suchen und auch nichts in einem Atommülllager an der Küste. Das strahlende Zeug gehöre „in den Villengegenden und Gärten der Reichen vergraben.“

Es ist Frühsommer 2012. Und der Mann, der da poltert, ist weder Grüner noch Roter. Michael Andrejewski ist Brauner – Landtagsabgeordneter der rechtsextremen NPD.

Ortswechsel. In der 1900-Seelen-Gemeinde Usedom auf Deutschlands nordöstlichster Insel beraten die Kommunalvertreter über einen wohlklingenden Antrag. Angesichts „schwerwiegender Folgen für Mensch und Natur“ sollen Bürgermeister, Landes- und Bundesregierung „alles in ihrer Macht stehende tun“, um die geplanten polnischen Atomkraftwerke zu verhindern. Im Prinzip könnten alle Stadtvertreter zustimmen. Nur hat die Sache einen Haken. Der Antrag zum AKW-Nee stammt von der NPD.

Die hat in Usedom-Stadt bei der Landtagswahl 22,7 Prozent geholt. Eine ihrer Wahlkampfparolen: „Kein Atomtod aus Polen!“ Einige Kilometer weiter. Der Gemeinderat im Ostseebad Heringsdorf berät über ein klimaschonendes Ansinnen: Die Straßenbeleuchtung soll mit energiesparenden Glühbirnen bestückt werden. Mit umweltfreundlichen Grüßen – die NPD.

„Heimattreue“ Naturschützer

Drei Beispiele, eine Botschaft: Die ökologische Frage ist nicht nur in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sie ist längst auch am äußersten rechten Rand zuhause. Die Braunen surfen auf der grünen Welle. Die NPD, von internen Krisen und Skandalen gerupft, ist das Sprachrohr für ein Öko-Netzwerk aus rechtsextremen Freien Kameradschaften, selbsternannten autonomen Nationalisten, „heimattreuen“ Naturschützern und „artgerecht“ lebenden völkischen Bio-Produzenten.

Vor allem im ländlichen Nordosten versuchen die Rechten, als Trittbrettfahrer auf Bio- und Öko-Züge zu springen. Aber nicht nur dort. „Das Phänomen lässt sich bundesweit beobachten“, weiß Politologin Gudrun Heinrich von der Uni Rostock: „Die Rechte nutzt die ökologische Frage, weil sich damit Sympathien werben lassen bei einer Klientel, die sich nicht unbedingt rechts verortet.“

Die politische Farbmischung aus Braun und Grün ist nicht neu. Und es wäre zu einfach, sie allein als „strategisches Kalkül“ der Rechtsextremen abzuhaken. Denn der rechten Gedankenwelt ist das Thema keineswegs fern. In der Tradition der Ökobewegung finden sich kräftige braune Wurzeln.

Bis in die 60er Jahre hinein war das Umweltthema von einer konservativ- nationalen Natur- und Heimatschutzbewegung besetzt, die sich teils aus romantischer, fortschrittskritischer Schöpfungsverklärung speiste, teils aus völkischbiologistischer Ideologie mit rassistischem Einschlag.

Der Kampf gegen Rechts? Bild: dpa

Nicht zufällig mussten sich Umweltverbände und Grüne in ihrer Gründungsphase am braunen Erbe abarbeiten. Natürlich nutzen die NPD und ihre Gesinnungsgenossen das Öko-Thema auch populistisch aus, sagt der Göttinger Politikwissenschaftler Johannes Melchert, „aber gerade ökologischer Landbau und Naturschutz haben eine lange Tradition in der rechten Parteiengeschichte. Das sind durchaus auch Überzeugungstäter.“

Schon 1973 nahm die NPD das Thema „Umweltschutz“ in ihr Programm auf – mit eindeutig ideologischer Ausrichtung: Um das „gesunde Erbgut“ des deutschen Volkes und die Heimat zu sichern, müsse Umwelt- und Naturschutz „zum leitenden Gedanken der Politik“ werden.

In der Tagespolitik ergeben sich daraus oft flotte, grün-schimmernde Parolen und Aktionen, die die demokratischen Akteure vor Ort in Abgrenzungskonflikte bringen. Da mischen sich etwa NPD-Leute mit „Kein Genfraß“-Transparenten unter die Demonstranten gegen Saatgutmultis. Da versuchen sich braune Kumpane mit einem „Tiere sind keine Wegwerfware“ in Bürgerinitiativen gegen Massentierhaltung einzureihen. Oder sie marschieren gegen Atomkraft, Kohlemonster und die Risiken des Fracking.

Bio für die „Volksgesundheit“

Oft wird erst auf den zweiten Blick sichtbar, wie die nationalen Akteure mithilfe der Sympathieträger Öko und Bio ideologische Stereotypen und Überfremdungsängste schüren: So ist die NPD nicht grundsätzlich gegen Atomkraft, aber natürlich gegen die aus dem Nachbarland Polen.

Das Nein zur grünen Gentechnik wird mit dem Verweis auf das „jüdische Kapital“ in US-Saatgutkonzernen dekoriert. Und die bäuerliche Biolandwirtschaft wird mit der „Volksgesundheit“ begründet, denn: „Deutsche Kinder braucht das Land!“

Auch im Westen Mecklenburgs, im Landkreis Güstrow, schöpfte man zunächst keinen Verdacht. Umgänglich sind die Leute, die kurz nach der Wende mit ihren zahlreichen Kindern leerstehende Siedlerhöfe und Gutshäuser kaufen. So öko-bewusst und gemeinsinnorientiert, da geht einem das Herz auf. Sie betreiben naturnahe Landwirtschaft, engagieren sich im Chor und im Kindergarten, sie werben für Ferien auf ihrem Biohof, verkaufen ökologische Baumaterialen.

Erst als einige Neusiedler ihre Jungen zur Abhärtung auch im Winter in kurzer Hose zur Schule schicken, die Mädchen in wallenden Wollröcken und geflochtenen Zopfkränzen in die Kita kommen, wird das Umfeld misstrauisch. Inzwischen ist klar: Das weite Land hat nicht nur Kreuzberger Aussteiger angelockt, sondern auch rechts orientierte Siedler.

Etwa 60 Erwachsene und ihre Kinder haben sich mittlerweile auf den Höfen niedergelassen. Sie pflegen ein artgerechtes, natur- und heimatverbundenes Leben mit Erbswurst und Ringeltanz. Beobachter der rechten Szene titulieren die Region um Güstrow schon als „Toskana der Neonazis“.

Ihre Siedlungen, die auf den ersten Blick altmodisch-sektenhaft wirken, könnten zum Brückenkopf der harten Neonaziszene werden. Bild: dpa

Sie warnen: Die völkischen Bio-Siedler zögen immer mehr Gleichgesinnte an. Ihre Siedlungen, die auf den ersten Blick altmodisch-sektenhaft wirken, könnten zum Brückenkopf der harten Neonaziszene werden. Politologin Gudrun Heinrich hat vor allem die in einer Grauzone agierenden Siedler im Visier, wenn sie über die grünen Braunen sagt: „Die Leute sind von ihrem ökologischen Lebensstil überzeugt. Das macht die Auseinandersetzung so kompliziert.“

Was tun, wenn die neuen Siedler ihre Äpfel im Bioladen anbieten? Oder ihre Kinder in der Schule zur Sonnenwendfeier laden? Wenn die NPD Schweinemastanlagen verhindern will? „Die Gefahr ist natürlich, dass das Thema Umwelt die NPD salonfähig macht“, warnt Johannes Melchert, „die demokratischen Parteien müssen deshalb genau hinhören; man darf für die gute Sache nicht jeden ins Boot lassen.“

In Mecklenburg haben sich die demokratischen Parteien auf den „Schweriner Weg“ verständigt. Egal wie vernünftig ein Ansinnen der NPD auch sein mag, es wird grundsätzlich abgelehnt. Dort jedoch, wo jeder jeden kennt und der Neonazi gleich nebenan wohnt, tut man sich schwerer. In Usedom haben die Stadtvertreter den NPD-Antrag gegen polnische Atomkraftwerke gerade noch abschmettern können.

Der Antrag war nämlich mit großdeutschem Territorialanspruch überschrieben: „Kein AKW in Hinterpommern“. Das frühere Hinterpommern gehört seit 1945 zu Polen. Es existiert nicht mehr, der Antrag war gegenstandslos. Auch der braune Vorstoß, in Heringsdorf Energiesparlampen in Straßenlaternen zu schrauben, lief ins Leere. Das, triumphierten die Gemeindevertreter, machen wir doch längst! Manchmal lassen sich die braunen Trittbrettfahrer ganz einfach ausbremsen.

Vera Gasero, der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 3/2012.

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