Netanjahu holt Rivalen ins Boot: Vom Lügner zum Koalitionspartner

Der israelische Regierungschef Bernjamin Netanjahu zimmert sich eine Riesenkoalition zusammen. Die Opposition schrumpft auf nur 26 Abgeordnete.

Ein ungewöhliches Bild: Benjamin Netanjahu und sein neuer Partner Schaul Mofas, Chef der Kadima. Bild: reuters

JERUSALEM taz | Fehlalarm: Nicht im September dieses Jahres wird in Israel eine neue Regierung gewählt werden, sondern plangemäß erst im Herbst kommenden Jahres. Noch Montag früh entschied sich das Kabinett fast einstimmig für den Termin 4. September, nur um kaum 24 Stunden später davon überrascht zu werden, dass Regierungschef Benjamin Netanjahu kurzerhand alles wieder abbläst.

Likud und die Oppositionspartei Kadima einigten sich auf eine Einheitsregierung. „Der Staat Israel braucht Stabilität“, begründete Netanjahu den Schritt während einer am Dienstagmittag einberufenen Pressekonferenz an der Seite seines neuen Partners, des Chefs der Kadima, Schaul Mofas. Mit 94 von insgesamt 120 Parlamentariern in der Koalition dürfte die Regierung tatsächlich stabil sein. Von „historischen Veränderungen“ sprach Netanjahu und von einer „gerechteren Verteilung der Ressourcen“.

Spätestens im Sommer steht eine „historische Veränderung“ ins Haus, wenn es um den Wehrdienst für orthodoxe Israelis geht. Mit der breiten und überwiegend weltlichen Koalition dürfte es den frommen Parteien an den Kragen und vor allem ans Budget gehen.

Der sichtlich übermüdete Mofas hatte Schwierigkeiten, den Koalitionsbeitritt zu rechtfertigen. „Es gibt Momente in der Geschichte einer Nation, in denen es gilt, die Kräfte zu vereinen“, meinte er. Israel stünde vor großen Herausforderungen, denen mit einer breiten Koalition besser zu begegnen sei.

„Die alte, korrupte und hässliche Politik“

Mofas ist seit knapp sechs Wochen Parteichef. Aktuelle Umfragen geben ihm weniger als 10 Prozent. Der Betritt zur Regierung Netanjahus, den er vor kurzem noch einen „Lügner“ schimpfte, rettet Mofas vor dem sicheren Debakel.

Mitten in die Pressekonferenz platzte der erboste Meretz-Abgeordnete Nitzan Horowitz. „Ihr seid euch für nichts zu schade“, schimpfte er, bevor ihn Sicherheitsleute hinausführten. In der auf ganze 26 Parlamentarier zusammengeschrumpften Opposition herrscht Unmut über den geplatzten Termin für vorgezogene Neuwahlen. Auch der ehemalige Moderator Jair Lapid, der mit eigener Partei zum ersten Mal antreten wollte, zürnt.

„Was ihr heute gesehen habt, ist genau die alte, korrupte und hässliche Politik, die aus unserem Leben verschwinden muss“, schreibt Lapid auf seiner Facebook-Seite. Die Kadima, die mit 28 Sitzen stärkste Knesset-Fraktion ist, wird mit nur einem Minister ohne Aufgabenbereich ins Kabinett einziehen. Möglich sind noch kommende Verschiebungen.

„Israel Beteinu“ kündigte ihren Austritt aus der Koalition an, sollte die Regierung die Räumungen von Siedlerhäusern zulassen, die der Oberste Gerichtshof für den Sommer festgelegt hat.

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