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Netflix-Serie „Marked“Ein Ass im Ärmel

Die südafrikanische Netflix-Serie „Marked“ erzählt vom prekären Leben in Soweto. Eine Geldtransporter-Fahrerin wird darin selbst zur Räuberin.

Babalwa (Lerato Mvelase) und die Mitglieder ihrer Kirchengemeinde geraten in eine Auseinandersetzung rivalisierender Gangs Foto: Netflix

„Die Welt hat uns miese Karten gegeben. Und hiermit geben wir sie zurück“, sagt Babalwa Godongwana (Lerato Mvelase) zu ihren Freunden. Die Fahrerin eines Geldtransporters in Soweto, einem Teil der Metrolpolgemeinde Johannesburgs, plant, ihren eigenen Betrieb zu überfallen und so Millionenbeute zu machen. Die südafrikanische Netflix-Serie „Marked“ ist eine moderne Robin-Hood-Geschichte, in der sich die Armen und Entrechteten einfach nehmen, was sie brauchen.

Eigentlich lebt die gläubige Babalwa, die viel Zeit in ihrer Kirchengemeinde verbringt, ganz streng nach den Regeln des Gesetzes. Ihre Arbeit als Polizistin hat sie aufgegeben, nachdem sie gegen korrupte Kollegen ausgesagt hatte. Nun jobbt sie als Fahrerin einer Geldtransportfirma. Als sie erfährt, dass ihre an Krebs erkrankte jugendliche Tochter Palesa (Ama Qamata) nur mithilfe einer Operation überleben kann, die 50.000 Euro kostet, eine für sie und ihren Ehemann unerschwingliche Summe, versucht sie bei Arbeitgeber und Kirchengemeinde Geld aufzutreiben.

Die Amateurgangster­gang will soziale Ungerechtigkeiten wenigstens für sich ungeschehen machen

Aber mehr als wohlmeinende Ratschläge bekommt sie nicht. Als ein Gangster, den sie seit Jahren kennt, ihr anbietet, bei einem Raubzug auf den von ihr gefahrenen Geldtransport mitzumachen, stellt sie ihre moralischen Bedenken auf den Prüfstand. Und plötzlich wird die superkorrekte Babalwa selbst zum Gangster.

Der flott erzählte Sechsteiler „Marked“ ist ein eigenwilliger „Heist-Thriller“, der mit viel Spannung von einem aberwitzigen Raubzug erzählt. Denn hier sind keine Profis am Werk. Babalwa versammelt einfach Mitglieder ihrer Kirchengemeinde, die in Finanznöten sind und mit dem Rücken zur Wand stehen. Den Coup ziehen sie durch, um endlich ihre zentnerschweren Alltagssorgen zu lösen.

Ein prekäres Leben

Denn das in diesem Sechsteiler geschilderte Leben in Soweto ist für viele, wenn auch nicht für alle, äußerst prekär. „Marked“ ist eben vor allem auch ein Sozialdrama, das von mangelnder Gesundheitsversorgung, verschuldeten Familien, Gangkriminalität, regelmäßig und stundenlang abgestelltem Strom (sogenanntem Load Shedding), Polizeibrutalität, Klassismus und steilen Arbeitshierarchien erzählt.

Babalwa und ihre eigenwillige Amateurgangstergang wollen diese Ungerechtigkeiten wenigstens für sich und Angehörige ungeschehen machen, rauschen aber in eine knallharte Auseinandersetzung rivalisierender Gangs. Außerdem heftet sich ein ehemaliger Polizeikollege an Babalwas Fersen, dessen Karriere einst durch ihre Aussage beendet wurde.

„Marked“ ist streckenweise ein sehr unterhaltsamer Krimi, der mit viel Witz davon erzählt, wie die regelkonformen Gemeindemitglieder gemeinsam ihren Raubzug planen. Wie gelingt es, Menschen davon zu überzeugen, Regeln zu brechen und welche inneren Konflikte treten dabei zutage? Das zeigt die Serie, die außerdem ein modernes, urbanes Südafrika in Szene setzt, in dem es ebenso einen gut situierten Mittelstand gibt, wie auch jede Menge Leute, die viel arbeiten und trotzdem gerade mal das Nötigste haben und kaum über die Runden kommen.

Marked

„Marked“, sechs Folgen auf Netflix

Die Durchführung des großen Coups ist dann alles andere als einfach und hat natürlich jede Menge Ecken und Kanten. Der Überfall entwickelt seine ganz eigene Dynamik, die sich schließlich der Kontrolle von Babalwa und ihren Freunden entzieht. „Marked“ versammelt eine ganze Reihe in Südafrika bekannter Schauspielstars. Neben dem nigerianischen „Nollywood“ spielt Südafrika für Net­flix als Produktionsstandort vor allem von Thrillerserien wie „Unseen“ und „Blood and Water“ eine immer größere Rolle.

Wer sich statt öffentlich-rechtlicher Krimis oder den üblichen US-Crime-Serien zur Abwechslung eine ungewöhnliche Thrillerserie aus Südafrika ansehen will, dem sei „Marked“ empfohlen.

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