Netzpolitik in der Großen Koalition: Internetminister? So ein Quatsch!

Das Netz spottet über den neuen „Internetminister“. Dabei ist der Name falsch. Denn um Netzpolitik kümmern sich auch künftig etliche Ressorts.

Maut statt Internet: Alexander Dobrindt (CSU) ist kein „Internetminister“. Bild: dpa

BERLIN taz | Die News-Seiten überschlugen sich am Wochenende: „Wadenbeißer wird Internetminister“ (meedia.de), „Alexander Dobrindt soll als erster Internetminister in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen“ (stern.de), „Neuer Internetminister: Ausgerechnet Dobrindt“ (Spiegel Online). Das, was Netzaktivisten seit Langem fordern, schien wahr zu werden: Ein eigenes Netzministerium.

Doch jetzt ist der Spott groß. Denn der bisherige CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt soll sich ums Digitale kümmern. Ha, nicht einmal einen Twitter-Account hat der. Pah, nur etwas mehr als 3.200 Fans bei Facebook und hihi, der nutzt dort ja sogar Hashtags.

Dabei macht erstens ein Twitter-Account noch keinen Netzpolitiker und ist die Häme zweitens völlig fehl am Platz. Denn Dobrindt wird kein „Internetminister“. In erster Linie wird er „Minister für Verkehr“ und erhält zusätzlich die Aufgabe sich um die „digitale Infrastruktur“ zu kümmern. Hat ja auch irgendwie etwas miteinander zu tun. Datenautobahn und so.

Die CSU wird Dobrindt wohl vor allem daran messen, ob und wie er die umstrittene Autobahnmaut für Ausländer umsetzt, nicht daran, wie viele Glasfaserkabel er verlegen lässt.

Koordination? Unklar

Dobrindt wird nicht für das gesamte Themenfeld zuständig sein, sondern sich vornehmlich um den Breitband-Ausbau kümmern, bei dem Deutschland noch immer hinter den europäischen Nachbarn zurückhängt. Auch im neuen Kabinett werden sich die Aufgaben, die sich unter dem Begriff der „Netzpolitik“ vereinen, auf etliche Ressorts verteilen.

Um Datenschutz, IT-Sicherheit, Vorratsdatenspeicherung, Startup-Förderung, eGovernment, Netzneutralität, Urheberrecht und Jugendschutz werden sich etwa Innen-, Justiz-, Wirtschafts- und Familienministerium kümmern. Ob jemand all diese netzpolitischen Themen zwischen den unterschiedlichen Häusern koordiniert, ist noch unklar.

Besänftigend für Netzaktivisten wirkt eine andere Personalie. Mit der 35-jährigen CSUlerin Dorothee Bär holt sich Dobrindt eine Frau als Staatssekretärin ins Ministerium, die Netzpolitik als ihr „Steckenpferd“ bezeichnet. Sie ist bei Twitter eine große Nummer, organisiert schon mal LAN-Partys im Bundestag und gilt als Vorzeigefrau der CSU in Sachen Internet. Doch auch sie wird schnell merken, dass das Verkehrsministerium bei den wirklich drängenden Fragen der Netzpolitik wenig zu melden haben wird.

An der Besetzung des Kabinetts lässt sich also kaum ablesen, dass die künftigen Koalitionäre die Bedeutung des Internets begriffen haben. Zwei weitere Personalien der CDU lassen aber hoffen, dass wenigstens Kanzlerin Angela Merkel künftig mehr von netzpolitischen Diskussionen erfährt. So wird der bisherige Bundesumweltminister Peter Altmaier als Kanzleramtsminister eng mit ihr zusammenarbeiten. Seit dem Erfolg der Piratenpartei 2011 hat er die Netzpolitik für sich entdeckt und engagiert sich. „Soviel Netzkompetenz war nie“, twittert er am Sonntag.

SPD sieht netzpolitisch alt aus

Und tatsächlich: Neben Bär und Altmaier schickt Merkel mit dem 39-jährigen Peter Tauber als künftigen CDU-Generalsekretär einen weiteren Netzexperten in die vorderste politische Reihe. Bisher ist Tauber bundespolitisch unbekannt, beschäftigt sich aber als einer der wenigen CDUler seit Jahren mit digitalen Themen und gilt als Kritiker der Vorratsdatenspeicherung. Er ist zudem Sprecher des Vereins cnetz, den netzaffine Unionspolitiker 2012 gegründet haben. Auch Bär und Altmaier sind Gründungsmitglieder.

Dagegen sieht es bei der SPD netzpolitisch mau aus. Noch im Wahlkampf hatte sich Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit Gesche Joost eine Frau ins Kompetenzteam geholt, die sich ums Digitale kümmern sollte. Im neuen Kabinett dagegen ist von netzpolitischer Kompetenz bei der SPD kaum mehr etwas übrig geblieben.

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