Neue ARD-Krimiserie "Mord mit Aussicht": Eine Irre unter vielen

Ja gibts denn so was: Die ARD startet noch eine Krimiserie - und die wird zur richtig guten bösen Provinzposse ("Mord mit Aussicht", Montag: 20.15 Uhr)

Bild: ard/frank dicks

Suchen Sie im folgenden Satz das Klischee: "Eine Powerfrau wird in die Provinz versetzt." Und? Okay, es ist schwer, sich da nur auf ein Klischee zu beschränken.

Es wird auch nicht viel leichter, wenn Sie erfahren, wohin genau die vermeintliche Karrierekommissarin versetzt wird: Nach Jahren im Kölner Großstadtdschungel kommt Sophie Haas an die Polizeidienststelle Hengasch im Kreis Liebernich. Hängarsch? Lieber nicht? Finden Sie das witzig? Egal, denn das sind im Grunde die einzigen wirklich schlimmen Gags, die "Mord mit Aussicht", die neue KommissarInnen-Nummer im Ersten, bereithält.

Trotz des faden Titels ist "Mord mit Aussicht" eine überraschend gelungene Serie. Das liegt vor allem an der Tonart ihrer Figuren. Sophie Reiners Drehbuch fokussiert sich nicht auf eine akribisch ausgefeilte Hauptfigur, der dann ein paar flache Nebenfiguren zuspielen müssen. In "Mord mit Aussicht" gibt es gleich eine Reihe skurriler Charaktere, und alle sind auf ihre Art interessant durchgeknallt.

Und so wirkt Sophie Haas trotz ihrer zeitweilig abenteuerlichen Divenaufmachung und ihrer seltsam makabren Fröhlichkeit angesichts einer Leiche im Bach niemals wie ein Papagei im Bauernhof, sondern eher nur wie eine Irre unter vielen.

In "Vatertag", der heutigen Folge, macht Haas zum Beispiel die "alte Reuter" Konkurrenz. Als die nämlich erfährt, dass ihr Mann tot aufgefunden wurde, backt sie erst mal Kuchen für den zu erwartenden Besuch der Polizei, spült ihren Ehering im Klo runter und kauft sich eine rote Perücke. So wie die Figur konzipiert ist, hätte man Frau Reuter auch ohne Mühe in einem Lars-von-Trier-Film unterbringen können. In der Provinz hatte eben jeder schon mal mit jedem, und keiner vergisst das, trotz der Mengen Schnaps und Betablocker, die allerorten geschluckt werden.

"Mord mit Aussicht" funktioniert nach dem Prinzip "Leichen im Keller ausgraben". Deswegen ist es auch spannender als die üblichen Vorabendserien-Morde aus Geldgier und Affekt. Hier haben die Verbrechen Geschichte, eine dichte Matte aus Schweigen und Streitereien, die Jahrzehnte her sind, flicht sich um jeden Toten. Land eben.

Aber - und das ist einer der weiteren großen Vorteile des neuen Formats - "Mord mit Aussicht" erstarrt nicht im Dorfrealismus und will auch keine Betroffenheitszuschauer. Die böse Provinzposse ist mit allerlei kleinen Einfällen wie etwa den lustigen Landfrauen und ihren lackierten Salzteigarbeiten ausgeschmückt oder den Schnapsrunden beim Verhör einer Mörderin. "Mord mit Aussicht" strebt explizit nicht das Format Fernsehfilm an, die Serie menschelt nicht so fürchterlich rum, wie es zuletzt in den Tatorten so unerträglichst praktiziert wurde.

Doch der glücklichste Griff der Macher ist die Wahl der Schauspieler. Zum einen natürlich Caroline Peters, die die Kommissarin mit sehr viel Energie und Gefühl für das Komische spielt, ohne ihrer Figur die sympathischen Züge zu nehmen. Aber genauso Meike Droste als junge Polizeianwärterin Bärbel Schmied, die ihre Chefin mit einer Mischung aus Skepsis und Bewunderung betrachtet. Beide sind eigentlich Theaterschauspielerinnen, und vielleicht gelingt es ihnen gerade deshalb, ihren Figuren mehr Ausdruck zu verleihen als in dem von der öffentlichen Hand sanktionierten Fernsehen handelsüblich.

Am nächsten Montag, bei Folge drei, lockt das neue Format sogar Sophie Rois ("Die Manns", "Ohne Einander") in eine Gastrolle nach Hengasch.

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