Neue Brexit-Verhandlungen mit der EU: Hohe Schauspielkunst

Bei den Brexit-Verhandlungen kommt der Höhepunkt zum Schluss. Es ist eine Inszenierung mit verteilten Rollen.

Brexit-Gegner demonstrieren in London während der Verhandlungen und tragen ein Schild mit der Aufschrift "The Best Deal is With EU"

Brexit-Gegner demonstrieren in London während der Verhandlungen am Freitag Foto: Henry Nicholls/reuters

Wie oft hat man es gehört: „Die Zeit drängt“, wird stets betont, wenn eine neue Runde der Brexit-Verhandlungen beginnt. Doch schon jetzt ist klar, dass es auch in dieser Woche nicht zu einem „Durchbruch“ kommen dürfte.

Die Brexit-Verhandlungen folgen den klassischen Regeln der Diplomatie: Der Höhepunkt kommt zum Schluss. Es wäre für alle Seiten schädlich, sich jetzt zu einigen – obwohl der endgültige Brexit am Jahresende ansteht. Die WählerInnen würden glauben, dass ihre Regierungen nicht hart genug gekämpft hätten. Drama muss sein. Die Verhandlungen dürften bis knapp vor Silvester laufen, garniert mit Nachtsitzungen, und das EU-Parlament wird aus den Weihnachtsferien gerissen, um den Vertrag in letzter Minute zu ratifizieren.

Die inhaltlichen Fronten stehen seit Monaten fest. Es geht um drei Themen: um die Fischereirechte, um einen „fairen Wettbewerb“ und darum, wie Streitigkeiten geklärt werden. Beim letzten Thema ist eine Einigung wahrscheinlich, denn es ließen sich diverse Schlichtungsverfahren denken.

Knackpunkt ist der faire Wettbewerb: Die EU muss verhindern, dass sich Großbritannien Exportvorteile erschleicht, indem es Steuerdumping betreibt oder Firmen subventioniert. Die Briten müssen Regeln einhalten – was Brexit-Fans nicht einsehen, heißt doch ihr Motto „Take Back Control“.

Der britische Premier Boris Johnson kann der EU daher nur entgegenkommen, wenn er einen Triumph vorzuweisen hat. Also pumpt die EU das Thema Fischereirechte auf – obwohl fast niemand vom Fischen lebt. Johnson soll behaupten können, dass er persönlich die britische Fangflotte gerettet habe.

Zu dieser EU-Inszenierung passt bestens, dass Frankreichs Präsident Macron so tut, als wäre er der Vereinsvorsitzende der Fischer aus der Normandie, und sich völlig kompromisslos gibt. Umso heller wird der „Sieg“ der Briten glänzen. Für Macron und seine Fischer dürften nebenbei ein paar EU-Milliarden abfallen, um ihre „Niederlage“ zu versüßen. Auch schön.

Aber wer weiß. Die Zukunft ist prinzipiell unsicher, wie einst ein berühmter Brite namens Keynes feststellte.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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