Neue Energie-Berechnungen: Atomplus bringt Finanzminus

Längere AKW-Laufzeiten könnten nach Ansicht von Experten nicht mehr, sondern weniger Geld für die Förderung von Ökoenergie bringen. Grund sind sinkende CO2-Erlöse.

"Atomkraft schadet Deutschland": Im September projizierte Greenpeace seinen Protest ans Reaktorgebäude des AKW Neckarwestheim. Bild: dpa

BERLIN taz | Mit einem Großteil der Einnahmen aus längeren Atomlaufzeiten, so verspricht es die Bundesregierung, sollen Klimaschutz und erneuerbare Energien gefördert werden. Doch faktisch könnte das Gegenteil eintreten, warnte Felix Matthes vom Öko-Institut am Donnerstag in einer Anhörung des Haushaltsausschusses: Mit einer Laufzeitverlängerung könnte weniger Geld dafür zur Verfügung stehen als ohne.

Der Grund dafür: Der neue Fonds, den die Regierung für die Förderung von Klimaschutzmaßnahmen einrichtet, soll sich aus zwei Quellen speisen. Zum einen zahlen die AKW-Betreiber einen Teil ihrer zusätzlichen Einnahmen ein: 2011 und 2012 jeweils 300 Millionen Euro, 2013 bis 2016 jeweils 200 Millionen Euro. Ab 2017, wenn die für den allgemeinen Haushalt bestimmte Kernbrennstoffsteuer ausgelaufen ist, steigt diese Summe je nach der Menge des produzierten Atomstroms auf bis zu 750 Millionen Euro im Jahr an.

Zweite Quelle für den Fonds sind die Erlöse aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten im Rahmen des europäischen Emissionshandels. Ab 2013, wenn diese komplett versteigert werden, würden daraus bei einem Preis in der heutigen Größenordnung von 15 Euro pro Tonne CO2 Einnahmen von gut 2 Milliarden Euro jährlich in den Fonds fließen.

Doch diese zweite, wesentlich größere Einnahmequelle könnte durch die längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke deutlich geringer ausfallen. In ihren eigenen Energieszenarien ist die Regierung davon ausgegangen, dass die CO2-Zertifikate durch die längeren AKW-Laufzeiten um 5 Euro billiger werden, weil bei gleicher Zertifkatemenge mehr CO2-freier Atomstrom zur Verfügung steht. Die Einnahmen aus der Versteigerung sänken dann um rund 1 Milliarde Euro im Jahr, erläutert Matthes: "Dieser Rückgang wäre somit deutlich größer als die mit den Kernkraftwerks-Betreibern vereinbarten Förderbeiträge."

Wie stark die CO2-Preise tatsächlich sinken werden, darüber gab es bei der Anhörung unterschiedliche Ansichten. Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, geht von einem deutlich stärkeren Rückgang aus, was den Einnahmeausfall vergrößern würde. Felix Matthes vom Öko-Institut erwartet hingegen eher eine Preisminderung von 1,50 Euro. Selbst in diesem Fall wäre die Bilanz im Ökofonds in den Jahren 2013 bis 2016 negativ, weil die AKW-Betreiber nur 200 Millionen Euro einzahlen, die CO2-Einnahmen aber um rund 300 Millionen Euro sinken.

Für Sven-Christian Kindler, Haushaltspolitiker der Grünen im Bundestag, verliert die Regierung durch die neuen Berechnungen weiter an Glaubwürdigkeit: "Die Mär vom Geldsegen für Erneuerbare durch Laufzeitverlängerungen ist damit enttarnt."

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