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Neue Kandidatin fürs VerfassungsgerichtFeige und klug zugleich

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

In der politisch wackeligen Lage eine Kandidatin als Richterin vorzuschlagen, die sich bisher wenig positioniert hat, ist clever, aber unerwartet.

Ist als Richterin für das Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen: Sigrid Emmenegger Foto: Thomas Imo/imago

D ie SPD schlägt Sigrid Emmenegger als neue Richterin für das Bundesverfassungsgericht vor. Sie ist Ersatz für die ursprüngliche Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf, die sich Anfang August zurückzog, weil keine Unterstützung durch die CDU/CSU zu erwarten war. Emmenegger ist bisher Richterin am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Sie als neue Kandidatin zu präsentieren, ist zugleich feige, aber auch klug.

Mit Sigrid Emmenegger hat wohl niemand gerechnet. In den öffentlichen Spekulationen ist ihr Name nie gefallen. Vor allem aber hat wohl kaum jemand eine Bundesrichterin als neuen SPD-Vorschlag erwartet. Schließlich war Frauke Brosius-Gersdorf eine profilierte Rechtsprofessorin, die bei der CDU/CSU vor allem mit ihrer liberalen verfassungsrechtlichen Position zum Schwangerschaftsabbruch aneckte.

Nach dem Rückzug der Kandidatin Brosius-Gersdorf im August war von vielen erwartet worden, dass die SPD nun wieder eine Frau, wieder eine Rechtsprofessorin und wieder eine Feministin nominiert. Schon um der Union zu zeigen, dass sie nach der von rechts außen gesteuerten Kampagne gegen Brosius-Gersdorf nicht einknickt.

Stattdessen schlagen die Sozialdemokraten Sigrid Emmenegger vor, die in den vergangenen fünf Jahren vor allem über Höchstspannungsfreileitungen und Erdkabel publiziert hat. Themen, mit denen sie im Bundesverwaltungsgericht befasst war. Emmenegger scheint zumindest auf den ersten Blick keine Angriffspunkte für eine neue Kampagne zu bieten.

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SPD zeigt Hass und Verleumdung wirken

Insofern hat die SPD also nicht selbstbewusst reagiert. Sie signalisiert vielmehr, dass man mit Hass und Verleumdung die Wahl profilierter fortschrittlicher Rich­te­r:in­nen verhindern kann.

Andererseits wäre für Demokratie und Rechtsstaat aber auch wenig gewonnen, wenn nun der nächste SPD-Vorschlag nur eine Fortsetzung des Konflikts mit einer anderen Person wäre. Dazu ist die politische Lage zu wackelig.

Dass sich Emmenegger verfassungsrechtlich bisher nicht erkennbar positioniert hat, heißt auch nicht, dass sie keine verfassungsrechtlichen Positionen hat. Möglicherweise hält auch sie die bisherige Karlsruher Rechtsprechung zur Abtreibung für überholt. Wenn Bundesrichter ans Bundesverfassungsgericht gewählt werden, gibt es immer wieder Überraschungen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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