Neue Graphic Novel von Trondheim: Ralph ist übrigens ein Erpel

Der vierte Band der Ralph-Azham-Serie sprüht vor Einfällen, Humor und Magie. Die irrwitzige Fantasyparodie hält sich betont flapsig.

Da geht sie hin, die Tochter. Zum Glück gibt es noch Ralph. Bild: Reprodukt

„Hast du was von dem Pulver, das alles vernebelt?“ – „Dafür habe ich kein Pulver, das ist ein Zauberspruch.“ – „Jaja, ich hab das mit dem Zauberkram kapiert … Her mit dem Pulver.“ – „Das ist echte Magie. Ganz ohne Blendwerk oder Tricksereien.“ – „Gib mir das Pulver und du bekommst den Armreif von Dingsbums.“

Man hat es als braver Bewohner einer Fantasywelt wirklich nicht leicht mit Ralph Azham. Keinerlei Ehrfurcht zeigt er vor magischen Relikten, alten Weissagungen oder mächtigen Göttern, die genreübliche Theatralik geht ihm komplett ab.

Dabei ist die Welt, die der 1964 geborene französische Comiczeichner Lewis Trondheim für Ralph Azhams Abenteuer geschaffen hat, geradezu ein Fantasymusterland: Festungen mit beeindruckenden Türmen, die sich aus Nadelwäldern erheben; Fachwerkhausmetropolen voll schmaler Gassen, Händler und Tavernen. Es gibt Diebesgilden, dreiköpfige Flugdrachen und den alten König mit Rauschebart und Hermelin, dessen Verwalter das Volk unter Kontrolle hält, indem er die Furcht vor dem bösen Kriegsherren Vom Syrus schürt.

Auch Magie, also echte Magie, gibt es in diesem Reich, sie ist bloß nicht gerecht verteilt. Einige Kinder entwickeln besondere Fertigkeiten und gelten als Auserwählte im Kampf gegen Vom Syrus. Die Nützlichkeit ihrer Begabungen streut stark: Ein Mädchen kann so gut gucken, dass es aus hunderten Metern das Geschlecht einer Kopflaus erkennt, ein Junge kann mit spitzen Schreien Holz zum Bersten bringen, andere können bloß sämtliche Instrumente spielen oder haben nachwachsende Zähne.

Verrat an den Auserwählten

Auch Ralph gehört zu diesen Wunderkindern, wenngleich er spät berufen erst als Teenager zum Auswahlverfahren geholt wird. Zunächst kann er nur sehen, ob Frauen schwanger sind. Doch entdeckt Ralph seine wahren Fähigkeiten, die um ein Vielfaches mächtiger sind, aber komplex in der Handhabe. Jegliche Hoffnung, als Auserwählter zu Ruhm und Ehre zu gelangen, wird aber schnell enttäuscht. Verräter wollen die Auserwählten töten, nur knapp gelingt Ralph die Flucht.

Fortan hat er einen Sidekick als Begleiter: Yassou, einen 10-jährigen Zauberlehrling im Körper eines Greises, der eitel, altklug, vorlaut und trotz allem sehr liebenswert ist. Auch weil er so hohen Wert auf die Inszenierung seines Zaubererauftritts legt mit all ihren Sprüchen, Ritualen und Effekten, und damit bei Ralph andauernd aufläuft, was als weiteres Comic-Relief dient. Die Dialoge sind überhaupt von betonter Flapsigkeit und haben nichts mit dem pathetischen Geschwalle zu tun, das etwa die „Herr der Ringe“-Filme so schwer erträglich macht.

Erst 2011 startete Lewis Trondheim seine Ralph-Azham-Serie, im Januar erschien mit „Ein vergrabener Stein bleibt dumm“ der vierte Band beim Berliner Verlag Reprodukt auf Deutsch. In Frankreich ist man sogar schon beim sechsten Teil angekommen. Denn Trondheim ist einer der produktivsten Comicautoren überhaupt, an über 100 Bänden war der 49-Jährige in den letzten 20 Jahren beteiligt.

In Deutschland ist er vor allem für seine inzwischen abgeschlossene Serie „Herrn Hases haarsträubende Abenteuer“ (erschienen bei Carlsen) bekannt. Wie auch in „Ralph Azham“ tragen die Charaktere hier Katzen-, Hunde-, Hasen- oder Vogelgesichter auf menschlichen Körpern, wobei die Tierart nur wenig Einfluss auf ihre Eigenschaften hat. Ralph ist übrigens ein Erpel.

Tiefentspannt im Schweinekoben

Mit groß angelegten Fantasyparodien kennt sich Trondheim ebenfalls gut aus: Seit über 15 Jahren baut er gemeinsam mit Joann Sfar, dem anderen Vielzeichner des französischen Independentcomics, am „Donjon“-Universum. An über 30 Bänden war Trondheim hier als Autor und vereinzelt auch als Zeichner beteiligt, im Herbst 2014 soll der Zyklus abgeschlossen werden. Die Geschichten rund um eine riesige Festung, deren Monster-Bewohner den genrebedingten Drang von Abenteurern nach Schatzsuche zum Geschäftsmodell gemacht haben, sind noch um einiges irrwitziger als der Azham-Stoff.

Und wo „Donjon“ aus lose verbundenen Einzelepisoden besteht, wird bei „Ralph Azham“ ein viel umfangreicheres und aufeinander aufbauendes Szenario entworfen, bei dem es, wie es sich für eine klassische Fantasysaga nun mal gehört, bald ums Ganze geht. Doch selbst diese Aussicht bringt Ralph Azham nicht aus der Ruhe. Er ist tiefenentspannt genug, um auch einen Monat Verbannung in den Schweinekoben ohne Murren zu überstehen, unbeeindruckt schlurft er von Abenteuer zu Abenteuer.

Was ihm an Körperkraft und Kampfskills fehlt, gleicht er durch Bauernschläue und Pragmatismus wieder aus. Mit seinen langen Haaren, Kinnbart und weiten Hosen wirkt er wie eine junge Ausgabe des Dudes aus „Big Lebowski“, bloß mit viel mehr Eigenmotivation ausgestattet: Erst setzt Ralph alles daran, seine Familie wieder zusammenzuführen. Später ist er auf Rachemission und bereit, große Risiken auf sich zu nehmen.

Lewis Trondheim: „Ralph Azham“. Deutsch von Ulrich Pröfrock. Colorierung Brigitte Findakly. Reprodukt, Berlin 2011–2014. 4 Bände à 48–52 Seiten, je 12 Euro

Im vierten Band, der als Auftakt der zweiten Erzähltrilogie eine Art Zwischenband bildet, bereitet er Ralphs Reise zu Vom Syrus vor und stellt ihm neue Begleiterinnen zur Seite. Wir dürfen uns bereits auf die nächsten Übersetzungen freuen!

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