Neue Haltung in der Opposition: SPD nun gegen Netzsperren

Die SPD will digitale Protestpartei sein, obwohl sie in der Regierung die Netzsperren beschlossen hat. Jetzt ist sie dagegen. Demut oder gar eine Entschuldigung suchen Aktivisten vergebens.

Neuer Parteivorsitzender, neue Rolle: Die SPD verzichtet wohl lieber auf Selbstkritik. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Kehrtwende der SPD bei den Internetsperren stößt bei der digitalen Bürgerrechtsbewegung auf Skepsis. "Die Partei nimmt jetzt nur die Position in der Opposition ein, weil sie nicht mehr in der Regierung sitzt", sagt Constanze Kurz, eine der SprecherInnen des Chaos Computer Clubs. "Diese 180-Grad-Drehung ist nur bedingt glaubwürdig."

Kurz sagt zudem, man freue sich zwar über neue Bündnispartner, "aber auf die SPD ist einfach kein Verlass". Und Markus Beckedahl von Netzpolitik.org, dem wichtigsten Blog zu digitalen Bürgerrechten, formuliert es diplomatischer: "Die SPD hat viele enttäuscht, weil sie den Abbau von Bürgerrechten in der Regierung mitgetragen hat. Es wird sehr schwer sein, dieses Vertrauen wieder zu erwerben. Dafür wird die Partei hart kämpfen müssen."

Als der Bundestag im Juni 2009 über das von Ursula von der Leyen (CDU) initiierte Gesetz zur Zugangserschwerung zu Kinderpornografie im Internet abstimmte, war die SPD-Fraktion mit Ausnahme von drei Abweichlern geschlossen dafür.

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen: So sahen viele Aktivisten – hier am Morgen des 18.Juni, an dem das Gesetz beschlossen wurde – das Verhalten der SPD in der Netzsperrendebatte. Bild: ap

Doch kaum hatten die Sozialdemokraten auf den Oppositionsbänken Platz genommen, meldete sich vor knapp einer Woche SPD-Vize Olaf Scholz im Spiegel zu Wort: "Internetsperren sind ineffektiv, ungenau und ohne weiteres zu umgehen. Sie leisten keinen Beitrag zur Bekämpfung der Kinderpornografie und schaffen eine Infrastruktur, die von vielen zu recht mit Sorge gesehen wird." Und am Mittwoch antwortete Martin Dörmann, während des Gesetzgebungsverfahrens der zuständige Berichterstatter der SPD, im Blog Schaltzentrale auf die Frage nach der plötzlichen Umkehr seiner Partei: "Unser Grundsatz war auch immer: Löschen statt Sperren."

Damit widerspricht Dörmann der früheren Justizministerin Brigitte Zypries. Die taz fragte die SPD-Politikerin im September, was sie an dem Gesetz ändern würde, wenn sie nach der Bundestagswahl in einer Regierung ohne CDU sitzen würde. Antwort: "Zunächst einmal nichts, denn die SPD hat ja die Befristung durchgesetzt, um die Regelung evaluieren zu können."

Am Donnerstag sagte Dörmann der taz, "Löschen statt Sperren" sei ein Versprecher bei einem Telefoninterview gewesen. Er könne sich durchaus noch an die frühere Haltung seiner Partei erinnern.

Nicht nur Bürgerrechtler sondern auch SPD-Anhänger kritisieren den Schwenk ihrer Partei. Auf dem Portal der Parteizeitung Vorwärts schimpft Autor Karsten Wenzlaff darüber, dass die SPD ihre neue Haltung ohne Reflexion verkaufe. Überschrift seines Beitrags: "Demut und Selbstkritik wären schön!"

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