Neue Intendanz beim RBB: NDR-Frau gegen ZDF-Mann

Am Donnerstag entscheidet der RBB über die Nachfolge von Dagmar Reim. Zur Wahl stehen zwei KandidatInnen.

Haben beide ihre Wurzeln beim NDR: Theo Koll und Patricia Schlesinger Foto: Pedersen KrügerMarks NDR/dpa

Ab 16 Uhr tagt am Donnerstag der RBB-Rundfunkrat. Wichtigster Punkt: „TOP 05: Wahl der Intendantin/des Intendanten des Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (nichtöffentlich). Wenn alles glatt läuft, tritt noch vor 20 Uhr die Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach mit der neuen RBB-Chefin oder dem neuen RBB-Chef vor die Fotowand. „TOP 06: Verkündung des Wahlergebnisses“ (öffentlich). Ein paar Bilder. Ein paar Sätze. Das war’s. Wie gesagt: Wenn alles glatt läuft...

Bisher war das nicht unbedingt der Fall: Denn es treten nur noch zwei KandidatInnen um die Nachfolge der bisherigen Intendantin Dagmar Reim an, die ihren Posten zum 30. Juni abgeben will: Patricia Schlesinger, 54, bisher Programmbereichsleiterin beim NDR-Fernsehen für Kultur und Dokumentation, und Theo Koll, 58, bisher Leiter des ZDF-Studios in Paris.

Das war anders vorgesehen: Kurz vor Ostern hatte sich eine eigens eingesetzte Findungskommission eigentlich auf drei Kandidaten geeinigt. Neben Schlesinger und Koll sollte auch Volker Herres, Programmdirektor der ARD, antreten. Am vergangenen Donnerstag zog er seine Kandidatur jedoch überraschend zurück. Es heißt, er habe Zweifel gehabt, ob er die erforderliche Zweidrittelmehrheit erhalten würde. Den Gesichtsverlust nach einer Niederlage wollte er offenbar nicht wagen.

Dieser Vorgang lässt insofern tief blicken, als dass er offenbart, dass es innerhalb des Rundfunkrats spürbare Stimmungen für den einen Kandidaten oder die eine Kandidatin geben muss. Als Favoritin scheint Schlesinger ins Rennen zu gehen. Koll bleibt wohl die Außenseiterrolle.

Ein NDR-Gewächs

Patricia Schlesinger ist ein NDR-Gewächs: 1988 volontiert sie bei dem Sender und wird Reporterin für „Panorama“. 1995 wird sie Korrespondentin in Singapur. 1997 holt sie der Sender als Moderatorin für „Panorama“ zurück. Dass sie aufsteigen will, scheint absehbar: „Eine Journalistin will nach oben“, überschreibt der Tagesspiegel ein Schlesinger-Porträt im Jahr 2001, als ihr Wechsel nach Washington ansteht. Drei Jahre lang arbeitet sie dort im ARD-Studio. 2005 wechselt sie in den NDR-Programmbereich Kultur und Dokumentation, den sie heute leitet.

Schlesinger steht für Qualität. Senderintern gilt sie als unprätentiös, als Macherin. Ihr Vorteil: Sie ist eine Frau. Im Rundfunkrat wünschen sich einige, dass eine Frau an der Senderspitze bleibt. Dagmar Reim war bei ihrer Wahl 2003 schließlich die erste Intendantin einer Rundfunkanstalt in Deutschland überhaupt. Schlesingers Manko allerdings ist ihre jetzige Position. Als Programmbereichsleiterin entstammt sie quasi der dritten Reihe im öffentlich-rechtlichen System.

Als Favoritin scheint Schlesinger ins Rennen zu gehen. Koll bleibt wohl die Außenseiterrolle

Auch Theo Koll – das ZDF-Gesicht – hat seine Wurzeln beim NDR. 1985 beginnt er bei dem Sender, arbeitet für „Tageschau“, „Tagesthemen“ und verschiedene Auslandsvertretungen. 1990 wechselt er dann zum Zweiten, leitet dort unter anderem das Studio in London, die Hauptredaktionen Innen- und Außenpolitik, moderiert „Frontal 21“, das „Auslandsjournal“ und „Politbarometer“. Seit knapp zwei Jahren verantwortet er das Studio in Paris. In vorherigen Wahlen kam es bislang nur einmal vor, dass ein ZDFler ARD-Intendant wurde: Helmut Reitze, Moderator des „heute-journal“, übernahm 2002 die Leitung des Hessischen Rundfunks, die er Anfang diesen Jahres abgab.

Viele Fragen

Eine Stunde haben Koll und Schlesinger jeweils Zeit, sich zu präsentieren. Und es dürfte einige Fragen an sie geben. Zum Beispiel: Wie wollen Sie das RBB-Fernsehen aus dem Quotentief holen? Schließlich ist der RBB mit weniger als sechs Prozent Quote im Sendegebiet das schwächste Dritte Programm in Deutschland. Wie wollen Sie die Relevanz des RBB in der ARD erhöhen? Die Berlin-Brandenburger Rundfunkanstalt spielt trotz ihres Hauptstadtsitzes im Gemeinschaftsprogramm kaum eine Rolle.

Dann haben die 29 RundfunkrätInnen die Wahl. Wenn sie überhaupt alle abstimmen. Denn nur glücklich sind die VertreterInnen aus Berlin und Brandenburg nicht über die zwei Vorschläge der Findungskommission: Warum mit Schlesinger wieder eine Person vom NDR, wie schon bei Reim? Warum keine ostdeutsche Kandidatin? Warum niemand aus dem eigenen Haus? Hält der RBB seine eigene zweite Reihe für zu leichtgewichtig?

Zwei Bedingungen müssen für einen Wahlsieg erfüllt werden: Erstens müssen zwei Drittel der abgegebenen Stimmen pro Koll oder Schlesinger ausfallen. Zweitens muss einer der Kandidaten mindestens 15 Stimmen auf sich vereinen. Wenn alles glatt läuft, hat um 20 Uhr entweder Koll oder Schlesinger beide Bedingungen erfüllt. Wenn nicht, könnte es ein langer Abend werden in Potsdam. Ein sehr langer.

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