Neue Kindesmisshandlung in Hamburg: Baby Tayler ist tot

In Hamburg starb wieder ein Kind, das unter Beobachtung des Jugendamtes stand: Verdacht auf Schütteltrauma. Sozialsenatorin verspricht Aufklärung.

Gewaltopfer: Baby Tayler wurde vermutlich durch heftiges Schütteln verletzt. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

In Hamburg ist wieder ein Kind tot, das unter der Aufsicht des Jugendamtes stand. Der 13 Monate alte Tayler aus Altona starb am Samstag in der Uni-Klinik Eppendorf (UKE) an seinen Verletzungen. Er war vor einer Woche mit Verdacht auf Schütteltrauma in die Klinik eingeliefert und sofort operiert worden. Bereits am Donnerstag hatten die Ärzte die lebenserhaltenden Maßnahmen abgeschaltet und kaum Überlebenschancen eingeräumt.

Die Leiche wird von der Rechtsmedizin obduziert, die Ergebnisse werden für frühstens Montag erwartet. Tayler wurde vermutlich durch Schütteln schwer verletzt, berichtet Staatsanwaltssprecher Carsten Rinio. Ermittelt werde gegen die 22-jährige Mutter und den 26-jährigen Lebensgefährten. Beide sind aber nach einer Festnahme wieder auf freien Fuß.

Die kleine Familie aus Altona-Nord, in der es auch noch einen sechsjährigen Bruder gibt, wurde seit Oktober von einer Sozialarbeiterin des Trägers „Rauhes Haus“ betreut. Noch am Tag vor der Klinik-Einweisung soll die Helferin das Baby gesehen und blaue Flecke festgestellt haben. Sie hat dies aber offenbar nicht dem Jugendamt gemeldet. Gegenüber dem Abendblatt sagte ein Sprecher des Trägers, die Mitarbeiterin habe geglaubt, es handle sich um Sturzverletzungen bei Gehversuchen. „Das Kind lernte gerade laufen. Es gab keine Anhaltspunkte für Misshandlungen.“

Nach taz-Informationen war das Baby im Sommer schon einmal mit Verletzungen im Kinderkrankenhaus Altona, welches dann den Fall dem „Kinderkompetenzzentrum“ der Rechtsmedizin am UKE vorstellte. Die dortigen Mediziner meldeten einen Verdacht der Kindeswohlgefährdung ans Jugendamt Altona. Das nahm daraufhin Tayler in Obhut und gab ihn in eine Pflegefamilie. Doch im Oktober kam das Kind zur Mutter zurück, unter der Auflage, dass drei Mal in der Woche besagte Familienhilfe kommt.

Ende November verurteilte das Landgericht einen Vater zu siebeneinhalb Jahren Haft. Er soll den drei Monate alten Jamie so heftig geschüttelt haben, dass dieser schwerstbehindert ist.

Anfang November starb Säugling Max, fünf Monate. Laut Staatsanwaltschaft bekam er keine Luft, weil die Mutter zwei Decken über ihn gelegt haben soll.

Vor zwei Jahren starb Yagmur an inneren Blutungen in der Wohnung ihrer Eltern.

Mitte Januar 2012 starb die elfjährige Chantal an einer Methadon-Tablette in der Wohnung ihrer Pflegeeltern.

Der Ablauf ähnelt dem Fall Yagmur (3) aus dem Jahr 2013. Auch sie kam nach schweren Verletzungen in ihre Familie zurück und starb. Auf Bitten von Altonas Bezirksamtsleiterin Liliane Melzer untersucht jetzt die Jugendhilfeinspektion den Verlauf. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) erklärte, man brauche Klarheit darüber, welche Maßnahmen das Jugendamt ergriffen habe – „und warum es trotz der Hilfen zum Tod des kleinen Jungen kam“. Über die Ergebnisse der Prüfung würden Parlament und Öffentlichkeit informiert.

Leonhard soll den Fraktionen noch am Freitagabend Aufklärung zugesichert haben. Der CDU-Politiker Philipp Heißner fordert eine Sondersitzung des Familienausschusses. Tayler sei nach dem kleinen Jamie aus Finkenwerder und Max aus Harburg der dritte Fall binnen weniger Monate, in denen Behörden schwere Misshandlungen nicht verhindern konnten.

Für Sabine Boeddinghaus, Jugendpolitikerin der Linken, macht es keinen Sinn, jetzt öffentlich nach einzelnen Schuldigen zu suchen. Der Fall müsse im Sinne des Kinderschutzes reflektiert werden, um Verbesserungsbedarf zu erkennen.

Auch der frühere Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer warnt von einem „alten Ritual“ der Suche nach einem politisch oder persönlich Verantwortlichen in einem Einzelfall. „Ohne zynisch sein zu wollen: bei 120 bis 150 toten Kindern im Jahr bundesweit, ist es naiv zu glauben, dass das an Hamburg vorbeigeht.“ Nötig wäre, das gesamte Arbeitsgebiet auf den Prüfstand zu stellen und so zu verbessern, dass „Schutz und Bedürfnisse der Kinder“ im Zentrum stünden.

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