Neue Regeln für Naturschutz in Europa: Der Vorschlag ist erst mal gut

Umweltverbände loben die beiden neuen Strategien für mehr Naturschutz der EU-Kommission. An der Umsetzung allerdings hapere es.

Ein fliegender Vogel

Die Zahl der Brutvögel in Deutschland nimmt ab: Kiebitz in Weinbergen in Rheinland-Pfalz Foto: Peter Zschunke/dpa

BERLIN taz | Mit großem Wohlwollen haben Umweltverbände und Bioszene die beiden neuen Strategien der EU-Kommission zum Schutz der Natur in Europa aufgenommen. Am Mittwoch hatte die Kommission ihre Biodiversitäts- und die „From-Farm-to-Fork-Strategie“ in Brüssel vorgestellt.

Die Strategien sehen vor, dass bis 2030 insgesamt 30 Prozent der Land- und Meeresfläche in Europa unter Schutz gestellt werden, ein Drittel davon besonders geschützt und quasi naturbelassen. Das wären fast doppelt so viele Schutzgebiete wie heute. Enthalten sind zudem verbindliche Regeln zum Erhalt und zur Wiederherstellung geschädigter natürlicher Flächen. So sollen mindestens 25.000 Kilometer Flüsse renaturiert und bis 2030 drei Milliarden Bäume gepflanzt werden.

Um den Verlust von Artenvielfalt vor allem bei Vögeln und Insekten auf ihren Feldern zu stoppen, sollen Landwirte künftig mindestens 25 Prozent der Ackerfläche in Europa ökologisch bewirtschaften. Die nötigen Investitionen zur Umsetzung der Strategie beziffert die Kommission auf jährlich 20 Milliarden Euro, die von der EU, ihren Mitgliedstaaten und privater Seite aufgebracht werden müssten.

Der Umweltverband WWF sieht in den Strategien „das Potenzial für bemerkenswerte Fortschritte hinsichtlich eines verbindlicheren Schutzes der biologischen Vielfalt“. Allerdings müssten die Strategien nun auch durchgesetzt werden und dürfen nicht vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten verwässert werden.

„Läuft nicht so gut“ beim Klimaschutz

Ähnlich sieht es der Naturschutzbund Nabu: Die für den Natur- und Klimaschutz dringende Renaturierung von Mooren, Grünländern, naturnahen Wäldern und Meeresgebieten würden verbindlich gemacht. Es dürfe aber nicht bei Worten bleiben, jetzt seien vor allem die EU-Mitgliedstaaten am Zug: „Wir fordern von der Bundesregierung, zügig mit der wirksamen Umsetzung beider Strategien in Deutschland zu beginnen“, hieß es vom Nabu.

Laut dem Bio-Landwirtschaftsverband BÖLW machten die Strategien der Kommission die Land- und Lebensmittelwirtschaft und die Art, wie wir essen, „enkeltauglich“. Die europäische Strategie verlange Deutschland einen „klaren Strategiewechsel ab, sagte der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hingegen rief EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, es nicht bei den beiden Strategien zu belassen. „Um die Praxis auf den Höfen, in der Ernährungswirtschaft, im Lebensmittelhandel und an den Mittagstischen fair, gesundheits- und umweltfreundlich auszurichten, braucht es einen Neustart in den Verhandlungen zur EU-Agrarpolitik“, sagte die AbL-Vorsitzende Elisabeth Fresen.

Der Realitätscheck für mehr Klima-, Gesundheits- und Naturschutz laufe gerade, „und er läuft nicht gut“, so Fresen. Die ungenügenden Vorschläge der Vorgängerkommission zur Reform der EU-Agrarpolitik werden sowohl im Rat der Agrarministerinnen und Agrarminister als auch im Europäischen Parlament Stück für Stück verwässert und drohen gänzlich wirkungslos zu werden“, so Fresen.

Der Bauernverband ist entsetzt

Gänzlich ablehnend zeigte sich der Deutsche Bauernverband. DBV-Präsident Joachim Rukwied sieht in den Strategien einen „Generalangriff auf die gesamte europäische Landwirtschaft“. In den vorgelegten Strategiepapieren seien dringend notwendige Anpassungen, ausgelöst durch die Coronapandemie, nicht berücksichtigt worden. Die Ernährungs- und Versorgungssicherheit der Menschen in Europa mit heimischen Nahrungsmitteln müsse in den Mittelpunkt dieser Strategie gerückt werden.

Würden Betriebe auf den Kosten für Natur- und Klimaschutz sitzen bleiben, drohe „eine zunehmende Abwanderung der europäischen Lebensmittelproduktion in Drittstaaten und vor allem die Aufgabe einer großen Zahl an landwirtschaftlichen Betrieben in der Europäischen Union“, so Rukwied.

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