Neue Verbrechen in Südrussland: Sotschis Angst vor dem Terrorismus

Im Kreis Stawropol stoßen Ermittler auf sechs Leichen. Verdächtigt werden islamistische Terroristen, lokale Antiterrormaßnahmen sind angekündigt.

Polizist in Sotschi. Bild: dpa

MOSKAU taz | Wieder befinden sich Russlands Sicherheitskräfte in erhöhter Alarmbereitschaft: Nach den terroristischen Anschlägen mit über 30 Toten in der vergangenen Woche in Wolgograd haben die Behörden am Donnerstag auch für den südrussischen Kreis Stawropol Antiterrormaßnahmen angekündigt.

Die Polizei war nach eigenen Angaben in der Nähe der Stadt Stawropol und des Kurorts Pjatigorsk auf sechs Leichen gestoßen, die sich – auf mehrere Autos verteilt – an unterschiedlichen Stellen in zwei Bezirken befanden. Als die Beamten sich einem der Fahrzeuge näherten, detonierte ein Sprengsatz, der aber keine weiteren Schäden anrichtete.

Beim Durchsuchen der Wagen stießen sie auf zwei weitere Bomben von der Stärke eines halben Kilogramms TNT, mit Eisenteilen gefüllt. Nach Behördenangaben wurden sie nach dem gleichen Muster gebaut, das islamistische Terroristen im Nordkaukasus gewöhnlich verwenden.

Die Männer in den Autos waren durch Schüsse getötet worden. Sie stammten aus der umliegenden Region und arbeiteten als Lkw- oder Taxifahrer, heißt es. Ob sie aber tatsächlich Opfer einer Tat mit terroristischem Hintergrund sind, ließen die Ermittlungsbehörden indes noch offen.

Stawropol liegt knapp 300 Kilometer nordöstlich von Sotschi fast auf halbem Wege nach Wolgograd. Das Gebiet erstreckt sich über die Ebene am Fuße des kaukasischen Gebirgsmassivs und ist seit den 1990er Jahren eine unruhige Region: Ende Dezember, einen Tag vor dem ersten Anschlag in Wolgograd, war vor dem Gebäude der Verkehrspolizei in Stawropol ein 50-Kilo-Sprengsatz TNT explodiert, der drei Menschen in den Tod riss.

Regelmäßig kommt es in der Region auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Kaukasiern und russischstämmigen Bewohnern. Anfang November nahm die Polizei im Kreis Stawropol einen jungen Mann fest, der den Sprenggürtel eines „Schachids“ – eines Selbstmordattentäters – trug.

Muslimische Schule für Frauen im Untergrund

Gleichzeitig entdeckte der Geheimdienst eine Medresse, eine muslimische Schule für Frauen im Untergrund, wo Studentinnen für den Terror angeworben wurden. Die Studentinnen besuchten Hochschulen in der Region. Außer im Islam unterwiesen zu werden, wurden sie auch mit dem Versprechen gelockt, dort einen muslimischen Bräutigam zu finden.

Nach Angaben des russischen Inlandsgeheimdienstes besuchten 30 bis 40 Studentinnen die Schulungseinrichtung regelmäßig. Ihre Lehrerin: eine Frau mit Tarnnamen Wachidat Nasrudinow aus Dagestan. Deren bürgerlicher Name ist Vera Dwernik; sie ist eine Russin, die zum Islam übergetreten ist.

Vera Dwernik steht für einen neuen Typ radikaler Islamisten, der die Sicherheitskräfte zunehmend verunsichert. Früher verübten „schwarze Witwen“, also kaukasische Frauen, deren Männer vom Geheimdienst umgebracht worden sind, solche Anschläge.

Noch radikaler: zum Islam bekehrte Russen

Schon seit Längerem spezialisieren sich die Terrorzellen in Dagestan aber darauf, zum Islam konvertierte Russen anzuwerben, wie der amerikanische Islam- und Sicherheitsexperte Gordon M. Hahn beobachtet hat. Diese Überläufer fallen nicht mehr durch ihr Äußeres auf. Und in ideologischer Hinsicht verkörpern sie einen noch radikaleren Schlag des selbsternannten Gotteskriegers.

Einige der Medresse-Schülerinnen sollen bereits in den Untergrund abgetaucht sein. Die Spuren anderer verloren sich in der Republik Dagestan, der Terrorhochburg im Kaukasus. Wiederum andere seien mit ihren Bräutigamen in den Nahen Osten aufgebrochen. Auch deren Spuren hätten sich verloren, hieß es in Geheimdienstkreisen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.