Neue konservative Koalition: Neue Chance für Japans erste Premierministerin
Das Bündnis der neuen LDP-Chefin Sanae Takaichi mit der Oppositionspartei JIP bestätigt den Rechtsruck und dürfte sie zur Regierungschefin machen.

taz | Sanae Takaichi hat es doch noch geschafft, ihre Wahl zu Japans erster Premierministerin aus eigener Kraft zu organisieren. Ihre Liberaldemokratische Partei (LDP) handelte mit der oppositionellen Nippon Ishin no Kai, der „Japanischen Erneuerungspartei“ (JIP), unerwartet schnell eine Koalition aus. Der Vertrag wird am Montag unterschrieben, sodass Takaichi am Dienstag mit den Stimmen von LDP und JIP zur neuen Regierungschefin gewählt wird.
Die LDP hatte Takaichi vor zwei Wochen zur neuen Vorsitzenden gekürt. Damit schien ihre Wahl ins höchste Regierungsamt als Nachfolgerin von Shigeru Ishiba sicher. Doch der bisherige LDP-Partner Komeito verließ überraschend die langjährige Koalition, weil die LDP eine verschärfte Regulierung von Parteispenden ablehnte. Diesen Verlust an Unterstützern kann Takaichi nun mit Hilfe der JIP mehr als wettmachen. Zudem war die Opposition zuvor kläglich daran gescheitert, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen.
Damit bestätigt sich der Rechtsruck in Japan: Die erzkonservative Takaichi tauscht die gemäßigte Komeito, die sich in der Sicherheitspolitik als „Friedenspartei“ versteht, gegen die konservative JIP aus. Das neue Bündnis zielt auch darauf ab, den Zulauf der Wähler zu rechtspopulistischen Parteien wie der Sanseito zu stoppen. Diese Partei hatte bei der Oberhauswahl im Juli mit dem Slogan „Japaner zuerst“ und der Forderung nach finanziellem Ausgleich für die Inflation starke Zugewinne erzielt.
Allerdings zahlt die 64-jährige designierte Premierministerin für die neue Allianz einen hohen Preis. Sie akzeptierte die „nicht verhandelbare“ JIP-Forderung, die Zahl der Abgeordneten im Parlament um zehn Prozent zu verringern.
Neue Koalitionspartner will keine Ministerien
Das Gesetz soll bis Dezember kommen. LDP und JIP wollen „darauf hinarbeiten“, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel auf null Prozent zu senken und Parteispenden von Unternehmen und Organisationen bis September 2027 zu beenden.
Die Abmachung sieht außerdem vor, dass die LDP den Ausbau von Osaka zur „Vize-Hauptstadt“ und die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge unterstützt. Auch nachdem Takaichi diese Kröten geschluckt hat, bleibt sie erpressbar. Denn die JIP schickt keine eigenen Minister ins künftige Kabinett, sondern will an den Gesetzesvorlagen der Regierung mitarbeiten, um ihre Ideen durchzusetzen.
Die erst zehn Jahre alte reform-konservative Regionalpartei aus dem Kansei-Gebiet um die Großstadt Osaka strebt mit einem populistischen Politikstil zugleich nach weniger Einfluss für die Ministerialbürokratie, mehr Macht für die Präfekturen und Gemeinden und mehr Freiheit für den privaten Markt.
Die JIP hielt zwei Referenden über eine Gebietsreform in Osaka ab, die scheiterten. Die Ursprünge der Partei liegen in einer Spaltung innerhalb des LDP-Ortsverbands von Osaka. Daher akzeptierte die LDP in Osaka die Koalitionsabsprache nur zähneknirschend.
Parteichef Hirofumi Yoshimura, derzeit Gouverneur der Präfektur Osaka, machte internationale Schlagzeilen, als er während der Pandemie das Gurgeln mit Povidon-Iod als Mittel zur „Unterdrückung“ von Covid-19 ohne wissenschaftliche Absicherung empfahl.
Während seiner Amtszeit als Bürgermeister Osakas beendete er im Jahr 2018 die langjährige Städtepartnerschaft mit San Francisco, weil dort ein Denkmal für die „Trostfrauen“ aufgestellt wurde, die im Zweiten Weltkritg in japanischen Armeebordellen versklavt wurden.
Als Gouverneur förderte der 50-jährige Anwalt die Weltausstellung Expo 2025 auf der Osaka-Insel Yumeshima, die mit 25 Millionen Besuchern die Erwartungen deutlich übertraf.
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