Neuer Chef der Deutschen Bank: Der Schrotthändler

Die Deutsche Bank hat Fonds verkauft, die nach Ansicht eines ihrer Top-Händler „crap“ enthielten. Der neue Bankchef Anshu Jain war persönlich daran beteiligt.

Anshu Jain soll am Freitag an die Spitze der Bank aufsteigen Bild: Thomas Lohnes/dapd

BERLIN taz | Interne Unterlagen aus der Deutschen Bank zeigen: Der neue Bankchef Anshu Jain war im Jahr 2007 persönlich am Verkauf einer Anlage beteiligt, die der Bank eine Schadensersatz-Klage wegen Betruges einbrachte. Die Deutsche Bank einigte sich im Februar 2012 außergerichtlich und zahlte eine Summe, deren Höhe sie nicht bekannt geben möchte. Kläger waren Tochtergesellschaften der deutschen Mittelstandsbank IKB, die bei ihren Geschäften mit der Deutschen Bank knapp 440 Millionen Dollar verloren hatten. Die IKB musste im Jahr 2007 von der Bundesregierung mit mehreren Hilfspaketen gerettet werden.

Die Hinweise auf die Verstrickung Jains, der am Freitag gemeinsam mit Jürgen Fitschen den Vorstandsvorsitz der Deutschen Bank übernimmt, finden sich auf Seite 2.112 der Anhänge zu dem Bericht des Untersuchungsausschusses des US-Senats, der die Ursachen der Finanzkrise erforschte. Der Ausschuss hatte dazu hunderttausende interne Mails und Dokumente von Banken, Versicherungen und Aufsichtsbehörden gesichtet und eine Auswahl davon veröffentlicht. Eins der Dokumente ist eine Excel-Datei, in der die Mitarbeiter der Deutschen Bank Anfang des Jahres 2007 notieren, welchen Anlegern sie Anteile an dem Hypothekenfonds Gemstone VII anbieten und wie die Verhandlungen mit den Anlegern laufen. Daraus geht hervor, dass Anshu Jain die Papiere der schweizer Bank UBS anbietet. Er hat allerdings keinen Erfolg: Die UBS greift nicht zu.

Andere Vertreter der Bank sind erfolgreicher. Die IKB kauft über eine Tochtergesellschaft mit dem Namen Loreley Anteile an Gemstone VII für 87 Millionen Dollar, die Commerzbank für 15 Millionen Dollar. In den Verkaufsunterlagen zu Gemstone VII prognostiziert die Deutsche Bank, die Qualität der in Gemstone VII enthaltenen Kredite werde sich während der Laufzeit verbessern. Das Gegenteil passiert: Sowohl die Anteile der Commerzbank als auch die der IKB sind inzwischen wertlos.

“Grundlegend falsch und irreführend”

Am 5. Oktober 2011 reichen mehrere IKB-Tochtergesellschaften in New York Klage gegen die Deutsche Bank ein. Der Vorwurf: Betrug. Die Darstellungen der Deutschen Bank in dem Verkaufsprospekt seien “grundlegend falsch und irreführend” gewesen, die Bank habe “vorsätzlich oder unter rücksichtsloser Missachtung der Wahrheit” gehandelt.

Die IKB-Tochtergesellschaften zitieren in ihrer Klage ausführlich aus den internen Dokumenten der Bank, die der Senat veröffentlicht hatte. Es geht darin vor allem um den Mailverkehr von Greg Lippmann, einem der Top-Händler der Deutschen Bank. Lippmann war an der Auswahl der Hypothekenpapiere beteiligt, die in Gemstone VII gebündelt und weiterverkauft wurden.

Als “Crap” bezeichnete Lippmann etwa das Hypothekenpapier ABSHE 2006-HE1 M7. Genau dieses Papier ist mit fünf Millionen Dollar in Gemstone VII enthalten. Genauso kommen in Gemstone auch 80 Millionen Dollar Hypothekenpapiere der kalifornischen Bank Long Beach, laut Lippmann „einer der schwächsten Namen im Markt“. Eine andere Anlage sei ein “absolute pig“: Davon stecken 30 Millionen Dollar in Gemstone VII. “Wird dieser Deal nicht platzen?“, fragt Lippmann einen Kollegen über eine weitere Anlage. “Ja”, antwortet der, “ich sehe Abschreibungen von 20 bis 40 Prozent voraus.” In Gemstone ist diese Anlage mit 10 Millionen Dollar enthalten.

Die amerikanische M&T-Bank zahlte 82 Millionen Dollar für Gemstone VII und verklagte die Deutsche Bank ebenfalls wegen ihrer Verluste. Auch hier kam es Anfang des Jahres 2012 zum außergerichtlichen Vergleich, und hier ist die Summe bekannt, die die Deutsche Bank zahlte: 55 Millionen Dollar, das entspricht zwei Drittel der Summe, die M&T durch Gemstone VII verlor.

Das Fall ist geeignet, das Vertrauen in die Deutsche Bank zu erschüttern. Das Institut stellt sich gerne so dar, als sei es der Anwalt seiner Kunden und berate sie objektiv über Chancen und Risiken einzelner Investitionsmöglichkeiten. Doch die internen Dokumente belegen, dass Bankmitarbeiter von der schlechten Qualität eines konkreten Anlageproduktes wussten. Und dass auch der designierte Bankchef Anshu Jain persönlich genau dieses Produkt anbot. Hat Jain dabei seinen Kunden auf die negativen Einschätzungen hingewiesen? “Ich glaube nicht, dass er da großen Kontakt gehabt hat”, sagt Deutsche-Bank-Sprecher Ronald Weichert auf taz-Anfrage. Die ganzen internen E-Mails seien „nicht bemerkenswert“. Sie würden zeigen, „dass es am Markt wie auch innerhalb der Deutschen Bank unterschiedliche Auffassungen über die Perspektiven des US-Wohnimmobilienmarktes gab“.

Mit dem außergerichtlichen Vergleich in der Betrugsklage entgeht die Deutsche Bank einer Verhandlung und einem Urteil. Als Grund für diesen und andere Vergleiche sagte der scheidende Bankchef Josef Ackermann: “Wenn wir Fehler gemacht haben, dann vergleichen wir uns.”

Die ganze Geschichte über die Rolle der Deutschen Bank während der Finanzkrise erscheint in der Pfingstausgabe der sonntaz. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

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