Neuer Korruptionsfall in der Ukraine: Verdacht auf Veruntreuung von 360.000 Euro
In der Ukraine wurde am Dienstag ein ehemaliger Manager des staatlichen Atomenergieunternehmens Energoatom festgenommen. Eine Spur führt auch nach Russland.
Die Nachrichten über den Korruptionsskandal bei dem staatlichen ukrainischen Atomenergie-Unternehmer Energoatom reißen nicht ab. Am Dienstag ist nun ein ehemaliger Spitzenbeamter und Manager der Atomwirtschaft festgenommen worden. Der Mann wird der Veruntreuung von umgerechnet 360.000 Euro verdächtigt. Bei dem vom Inlandsgeheimdienst der Ukraine (SBU) und der Kyjiwer Staatsanwaltschaft Festgenommenen handelt es sich um einen ehemaligen hochrangigen Energoatom-Funktionär.
Während SBU und Staatsanwaltschaft keinen Namen nennen, gehen führende ukrainische Medien, darunter auch die New Voice und Liga.net, davon aus, dass es sich um Juri Scheiko handelt. Scheiko war bis Juli 2025 Erster Stellvertretender Energieminister.
Überhöhte Versicherungssumme
Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht ein Versicherungsvertrag zur Haftung für mögliche radioaktive Schäden, die durch den Betrieb der Atomkraftwerke entstehen könnten. Ein Dokument, das, so die New Voice, sicherheitsrelevant für die ukrainische Atomenergie sei.
Mit dem Einmarsch im 24. Februar 2022 begann der groß angelegte russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Bereits im März 2014 erfolgte die Annexion der Krim, kurz darauf entbrannte der Konflikt in den ostukrainischen Gebieten.
Am 1. August 2022 wurde zwischen Energoatom und der Versicherungsgesellschaft Prosto-Strachuwannja ein Vertrag über umgerechnet zwei Millionen Euro abgeschlossen. Nur zwölf Tage später hatte der Beschuldigte durch eine zusätzliche Vereinbarung die Vertragssumme um knapp 500.000 Euro erhöht. Interne Prüfungen, dokumentarische Revisionen und eine gerichtliche Wirtschaftsexpertise waren laut Generalstaatsanwaltschaft zu dem Schluss gekommen, dass knapp 400.000 Euro zu viel bezahlt worden seien.
Spur führt über Zypern nach Russland
Außerdem, so die ukrainische Staatsanwaltschaft, führten Spuren dieses korrupten Geflechts über den Umweg Zypern nach Russland. Und damit gehe es in diesem Fall nicht mehr nur um Wirtschaft. Es gehe auch um die nationale Sicherheit, so Generalstaatsanwalt Ruslan Krawtschenko laut New Voice. Im Zuge der Untersuchung der Eigentümerstruktur von Prosto-Strachuwannja stießen Ermittler auf ein Geflecht von Firmen, das letztlich zum russischen Finanzsektor führen soll.
Über mehrere zypriotische Firmen führte die Spur laut Staatsanwaltschaft zu einem armenischen Staatsbürger sowie zur Gesellschaft R-Inter, die der russischen Holding RESO zugeordnet wird. Endbegünstigte dieser Holding seien russische Staatsbürger.
Sicherheitsrisiko in Kriegszeiten
Für Generalstaatsanwalt Ruslan Krawtschenko ist diese Konstruktion eine klassische Verschleierung der wirtschaftlichen Nutznießer über ausländische Firmennetze. Verdeckte Kontakte zu russischem Kapital würden in Kriegszeiten ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen.
„Gegen ihn wird eine Anklage gemäß Artikel 191 Absatz 5 des Strafgesetzbuches der Ukraine vorbereitet (Veruntreuung fremden Eigentums durch Missbrauch der Amtsposition eines Beamten in besonders großem Umfang)“, zitiert das maßgeblich durch die USA finanzierte Radio Svoboda Generalstaatsanwalt Ruslan Kravchenko.
Bereits am 12. November hatte die Regierung den Vize-Chef des Atomkonzerns Energoatom, Jakob Hartmut, entlassen. Man habe diese Entscheidung auf der Grundlage von Informationen der Antikorruptionsbehörde NABU getroffen, so die Premierministerin Julija Swyrydenko. Jakob Hartmut ist deutscher Staatsbürger.
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