Neuer Mietspiegel: Berliner sitzen hohe Mieten aus

Auch weil weniger umgezogen wird, steigen die Mieten in der Stadt nicht so stark wie vom Senat angenommen. Bei kleinen Wohnungen und Altbauten ist der Quadratmeterpreis inzwischen ausgereizt.

In München und Hamburg wohnt es sich teurer. Für viele Berliner ist die Miete trotzdem an der Schmerzgrenze. Bild: dpa

Die Berliner zahlen im Durchschnitt eine Miete von 5,84 Euro pro Quadratmeter netto kalt. Das geht aus dem neuen Mietspiegel 2015 hervor, den der Senator für Stadtentwicklung, Andreas Geisel (SPD), am Montag vorstellte. Damit stiegen die Mieten innerhalb von zwei Jahren um 5,4 Prozent – 2013 mussten Mieter im Schnitt noch 5,54 Euro pro Quadratmeter berappen. Senator Geisel sprach angesichts dieser Zahlen von einer „moderaten“ Entwicklung. Die Mieterhöhungen im Bestand seien geringer ausgefallen als befürchtet. Der Mieterverein dagegen reagierte besorgt: Die Mietoberwerte seien teils deutlich gestiegen. „Wir erwarten daher weitere Mieterhöhungen“, erklärte Geschäftsführer Reiner Wild.

Der Mietspiegel bietet eine Übersicht über die Mietpreise in der Stadt und wird alle zwei Jahre erneuert. Eine Arbeitsgruppe unterteilt Berlin dafür in einen bunten Flickenteppich aus einfachen (gelb), mittleren (orange) und guten (rot) Wohnlagen. Im Vergleich zu 2013 ist die Stadt ein klein wenig orangener geworden: 1,4 Prozent der Adressen wurden der Senatsverwaltung zufolge von einer einfachen in eine mittlere Wohnlage hochgestuft.

Ein Forschungsinstitut erhebt zudem Daten von Mietern und Vermietern. So werden Wohnungen je nach Größe, Lage, Ausstattung und Alter des Hauses in vergleichbare Gruppen unterteilt. In einer Tabelle kann jeder die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete für seine Bleibe bestimmen. Die wird ab dem 1. Juni erheblich an Bedeutung gewinnen: Dann tritt in Berlin die Mietpreisbremse in Kraft. Wenn Eigentümer ihre Wohnung neu vermieten, dürfen sie dann höchstens 10 Prozent auf die ortsübliche Vergleichsmiete draufschlagen.

Decke erreicht

Eigentümerverbände haben den Mietspiegel zwar miterstellt, wollen ihn aber trotzdem nicht anerkennen. Als Begründung verweist der Sprecher von "Haus und Grund", Dieter Blümmel, auf ein Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg. Das Gericht hatte vergangene Woche den Mietspiegel 2013 mit der Begründung gekippt, er basiere nicht auf wissenschaftlichen Grundsätzen. "Der Mietspiegel 2015 ist nach derselben Methodik erstellt", sagte Dieter Blümmel. Er könne sich doch nicht hinstellen und so tun, als gäbe es das Urteil nicht.

Senator Geisel sagte am Montag, er könne diese Begründung nicht nachvollziehen. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig, der Mietspiegel sicher und weiterhin ein "Instrument zum Erhalt des sozialen Mietenfriedens". Geisel vermutet bei den Vermieterverbänden Befürchtungen wegen der ab Juni geltenden Mietpreisbremse: Die Vermieter wollten sich wohl den Klageweg offenhalten, so der Senator. (taz)

Seit der letzten Erhebung haben laut Geisel vor allem die Mieten in Wohnungen zugelegt, die zwischen 1919 und 1949 bezugsfertig wurden. Weniger stark stiegen die Preise in Altbauten, die vor 1918 errichtet wurden und wo die Mieten bereits vorher deutlich angezogen hatten. „Preiserhöhungen sind in diesem Segment nahezu ausgeschöpft“, erklärte Renate Szameitat, Geschäftsführerin des beteiligten Gewos-Forschungsinstituts. Auch die Mieten von kleineren Wohnungen stiegen unterdurchschnittlich. „Hier ist die Decke erreicht“, sagte Szameitat.

Die Erhöhung der Mieten in Berlin insgesamt entspreche der Entwicklung in anderen Großstädten wie Hamburg, München oder Frankfurt, so die Geschäftsführerin. Mit durchschnittlich 5,84 Euro pro Quadratmeter lebt es sich hierzulande allerdings im Vergleich noch günstig: Nach Angaben der Stadtentwicklungsverwaltung zahlen Hamburger eine ortsübliche Vergleichsmiete von 7,56 Euro pro Quadratmeter, in München sind es 10,73 Euro.

Doch auch die Miethöhen in Berlin reichen aus, um die Menschen vom Umzug abzuhalten. Die Fluktuation liegt der Senatsverwaltung zufolge bei unter 10 Prozent. Damit gab es auch weniger Wohnungswechsel, die Vermieter nutzen konnten, um die Miete nach oben zu setzen. „Das wirkt sich zwar dämpfend auf den Mietspiegel aus, ist aber eigentlich kein gutes Zeichen. Es zeigt, dass wir nicht genügend Wohnraum haben“, sagte Geisel.

Den Mieterverein beunruhigen vor allem die Preisspannen, die im neuen Mietspiegel auftauchen. „Die Oberwerte sind um 7,7 Prozent gestiegen“, so Reiner Wild. An ihnen orientierten sich die Vermieter – auch, weil ihnen bei einer zu hohen Berechnung keine Strafe drohe.

Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linkspartei, Katrin Lompscher, kritisierte die „überstarke Gewichtung der Neuvertragsmieten“. Die treibe mit jedem Mietspiegel die Preisspirale weiter nach oben. Tatsächlich machten die Mieten aus neu abgeschlossenen Verträgen 39 Prozent der Berechnungsgrundlage aus, nur 61 Prozent der Miethöhen bezogen sich auf den Bestand. Lompscher forderte den Senat auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass alle Bestandsmieten in den Mietspiegel einfließen – und nicht nur die in den letzten vier Jahren erhöhten.

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