Neuer Präsident von Hertha BSC: Bundesliga lernt Demokratie

Auch mit seiner Ultra-Vergangenheit ist Kay Bernstein noch kein linker Systemkritiker. Die Fußballkultur könnte der Hertha-Präsident aber schon ändern.

Der neue Hertha-Präsdident in Herthaner-Jacke

Der frisch gewählte Präsident von Hertha BSC, Kay Bernstein Foto: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

BERLIN taz | Was ist nicht schon alles über den neuen Hertha-Präsidenten Kay Bernstein geschrieben worden. Eine „Zäsur im deutschen Fußball“ soll seine Wahl sein, er soll eine „kleine Revolution“ bringen oder, wie die BZ journalistisch extraklassig hofft, „vom wilden Tiger zum zahmen Bettvorleger“ werden. Eine Erinnerung zur Güte: Bernstein, am vergangenen Wochenende als erster ehemaliger Ultra auf den Präsidentenstuhl eines Männer-Bundesligisten gewählt, hatte zwar mal Stadionverbot, aber ist kein Che Guevara. Der mittlerweile sehr bürgerliche 41-Jährige leitet eine Eventagentur, fährt, wie die BZ weiß, Porsche, und er wird Investor Lars Windhorst auch nicht vor die Tür setzen. Vorbild ist er trotzdem.

Zunächst mal, ganz banal, eines für Demokratie. Die Mitsprachemöglichkeiten im deutschen Fußball der Männer sind sehr limitiert, aber es gibt sie noch. Bei der historischen Wahl bei Hertha BSC haben die Mitglieder entschieden, nicht den skandalumwehten, von der Vereinsführung protegierten Kandidaten – CDU-Mann Frank Steffel – zu wählen, sondern den ehemaligen Ultra-Capo Bernstein. Der sich übrigens mit seiner Initiative die Mühe machte, ein Wahlprogramm aufzustellen; leider auch eher nicht die Regel im deutschen Fußball. So geht Demokratie.

Bernstein ist nun kein linker Systemkritiker. Seine Initiative „Wir Herthaner“ schreibt viel im nervigen Ultra-Duktus von „Stolz“, „Emotionen“ oder „Fresse halten, arbeiten und Ergebnisse liefern!“, eine Art Maloche-Kapitalismus. Aber ein paar interessante Forderungen hat sie. Eine transparente Kommunikation solle Hertha von nun an pflegen, die Verantwortlichen sollen sich regelmäßig den Fragen der Mitglieder stellen müssen. 50 Prozent der Erlöse aus dem Trikotverkauf sollen in Berliner Bolzplätze investiert werden. Und alle Mitglieder die Sitzungen von Präsidium und Aufsichtsrat live online verfolgen können.

Etwas überraschender kommt ein ökologischer Schwenk: Ab 2025 soll Herthas gesamte Spielkleidung recycelt sein, CO2-Emissionen sollen erfasst, reduziert und kompensiert werden, zu einem Sonderspieltag sollen Fans mit dem Rad kommen und „alles Sponsoring auf Ethik und Zukunftsfähigkeit überprüft werden“. Wettanbieter werde Hertha nicht mehr als Sponsoren haben. Das wäre tatsächlich vorbildhaft.

Vielleicht wird Hertha BSC endlich, was man in Vergangenheit immer verkrampft sein wollte, nämlich zeitgemäß

Vielleicht wird Hertha BSC also endlich, was die Verantwortlichen der Vergangenheit immer verkrampft sein wollten, nämlich zeitgemäß. Widersprüche stecken im Entwurf durchaus drin. Bei Transparenz schränkt die Initiative gleich vorauseilend wie vage ein, bei „hochsensiblen Themen“ könne das „minimal angepasst“ werden. Neben den Umweltversprechen will man mehr Trikots verkaufen und „nicht zu Öko-Hipstern erziehen“. Und Fußball der Frauen findet immer noch mit keinem Wort statt.

Verändern dürfte sich eher ein Stückchen Kultur als die Ökonomie. Das ist nicht nichts. „Die Fußstapfen sind groß, aber ich gebe mein Bestes, dass meine kleinen Füße mit Größe 42 da vernünftig reinpassen“, hat Bernstein dem rbb gesagt.

Auch Understatement war zuletzt ein rares Gut. Oder, um mit Lars Windhorst zu sprechen: „Es kann ja nur besser werden.“

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