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Neuer Regierungschef in ThailandNächstes Kapitel in Bangkoks Politsaga

Anutin Charnvirakul, Vorsitzender der Bhumjaithai-Partei, wird zum Premierminister gewählt. Binnen vier Monaten muss er das Parlament auflösen.

Anutin Charnvirakul, neuer Premier von Thailand, aufgenommen in Bangkok, 5.9. 2025 Foto: Chalinee Thirasupa/reuters

Berlin taz | Anutin Charnvirakul ist am Freitag zum Premierminister Thailands gewählt worden. Der 58 Jahre alte Vorsitzende der Bhumjaithai-Partei erhielt mit den Stimmen der 146 Abgeordneten seiner Partei und der 143 Abgeordneten der People's Party deutlich mehr als die erforderliche Mehrheit von 247 Stimmen.

Damit tritt Anutin die Nachfolger der vom Verfassungsgericht wegen ethischer Verfehlungen entlassenen Premierministerin Paetongtarn Shinawatra an. Anutin ist der dritte Premierminister innerhalb von zwei Jahren – ein Grund für die anhaltende politische Instabilität in Thailand.

Für seine Wahl hatte Anutin Bedingungen der People's Party akzeptiert, binnen vier Monaten das Parlament aufzulösen sowie ein Referendum über die Ausarbeitung einer neuen Verfassung durch eine gewählte verfassungsgebende Versammlung zu organisieren. Das wäre dann die 21. Verfassung seit der Abschaffung der absoluten Monarchie 1932.

Das Bhumjaithai und die Volkspartei gemeinsame Sache machen, ist ein weiterer Tiefschlag für die Partei Pheu Thai. Sie konnte ihren Kandidaten für das Amt des Regierungschefs nicht durchsetzen. Der Politclan der Shinawatras spielte mehr als zwanzig Jahre eine zentrale Rolle in Thailands Politik. Die konservative Elite hatte lange vergeblich versucht, sowohl durch Militärputsche als auch mit juristischen Mittel die Shinawatras zu Fall zu bringen.

Medizinischer Check

Vor der Wahl von Anutin war Ex-Premierminister Thaksin Shinawatra am Freitag überraschend in seinem Privatjet nach Dubai geflogen. Er wolle sich medizinisch durchchecken lassen, teilte Thaksin auf der Plattform X mit.

Thaksin lebte nach seinem Sturz durch einen Putsch im Jahr 2006 in Dubai. Um die Move Foward Partei (heute People’s Party) als Siegerin der Wahl von 2023 von der Macht fernzuhalten, ließ die konservative Elite die Regierungsübernahme ihrer Nemesis Pheu Thai zu. Der Preis war die Erlaubnis der Rückkehr von Thaksin und die Verbüßung einer achtjährigen Haftstrafe.

König Maha Vajiralongkorn reduzierte die Strafe auf ein Jahr, das Thaksin wegen angeblicher gesundheitlicher Probleme aber auf der VIP-Station eines Polizeikrankenhauses verbrachte. Jetzt wird ein Gericht am 9. September entscheiden, ob diese Art der Unterbringung tatsächlich als Strafe anzusehen war. Er werde zu Urteilsverkündung nach Bangkok zurückkehren, versicherte Thaksin.

Anutin Charnvirakul kann eine abwechslungsreiche politische Karriere hinter sich. Von 2023 bis zum Austritt vom Bhumjaithai aus der Koalition mit Pheu Thai im Juni 2025 war er Vize-Regierungschef und Innenminister.

Legalisierung von Cannabis

Von 2019 bis 2023 verantwortete der Sprößling eines Politclans als Gesundheitsminister in der Regierung von Putschgeneral Prayut Chan o-cha die Bewältigung der Corona-Pandemie. Anutin war auch federführend bei der umstrittenen und inzwischen teilweise rückgängig gemachten Legalisierung von Cannabis.

Anutin wird eine Minderheitsregierung führen. Die People's Party hat eine formelle Koalition in einer Übergangsregierung ausgeschlossen. Laut Umfragen hat sie bei Neuwahlen beste Aussichten, mit Abstand stärkste Partei zu werden.

Bei einer Podiumsdiskussion im August im „Klub der Auslandskorrespondenten“ in Bangkok schlossen der Vertreter von Bhumjathai und der People’s Party nicht aus, nach einer Wahl zu koalieren. Beide waren sich einig, dass Thailands politisches System einer Grunderneuerung bedürfe. Konfliktpotenzial für eine gemeinsame Regierung zwischen den beiden neuen Machtzentren dürfte aber die Frage bergen, welche Rolle die Monarchie künftig spielen soll. Es bleibt spannend in Thailand.

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