piwik no script img

Neuer WehrdienstLosverfahren steht vor dem Aus

In der Union rücken Ver­tei­di­gungs­po­li­ti­ke­r*in­nen von der Wehrdienstlotterie ab. Zuvor hatte auch Deutschlands oberster General Einspruch erhoben.

Comic: Mario Lars

In der Koalition mehrt sich die Kritik an einem Losverfahren zur Auswahl neuer Soldaten. Am Dienstag rückte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Thomas Röwekamp (CDU), von diesem Vorschlag ab. „Eine einheitliche Musterung aller jungen Männer ist ein notwendiger Schritt, um im Krisenfall schnell und zielgerichtet handeln zu können“, sagte Röwekamp der Augsburger Allgemeinen.

Noch vor zwei Wochen hatte sich Röwekamp für das Losverfahren ausgesprochen. Mit der von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgeschlagenen Zwangsmusterung aller jungen Männer ab Juli 2027 sei nicht viel gewonnen, meinte er.

Nun sieht er es genau andersherum: „Eine allgemeine Musterung ist nicht nur sinnvoll, sondern sicherheitspolitisch geboten“, sagte Röwekamp am Dienstag. Grund für seinen Sinneswandel sind wohl die Einlassungen von Deutschlands oberstem Soldaten, Generalinspekteur Carsten Breuer, der dem Vorschlag zum Losverfahren ebenfalls entschieden widersprochen hatte. „Aus militärischer Sicht ist es entscheidend, dass jeweils der gesamte Jahrgang gemustert wird“, hatte Breuer am Montag den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland gesagt. „Nur so wissen wir, wer zur Verfügung steht.“

Es ist zu erwarten, dass die Unions- und SPD-Fraktionen im Bundestag dieser „militärischen Sicht“ der Dinge kaum etwas entgegenzusetzen haben. Pistorius, der zuvor identisch argumentiert hatte wie Breuer, konnte sowohl innerhalb seiner eigenen Fraktion als auch bei der Union dagegen weniger gut durchdringen.

Die Arbeitsgruppe trifft noch mal zusammen

„Mein Herz hängt nicht am Losverfahren“, sagte nun auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann. „Man kann schon sagen: Wir mustern alle.“ Dabei gelte es, die Vorlaufzeit eines solchen „schwierigen“ Verfahrens zu beachten. Kritiker des Losverfahrens müssten einen umsetzbaren anderen Vorschlag machen.

Dafür soll am Dienstagabend die koalitionsübergreifende Arbeitsgruppe zusammenkommen, der jeweils zwei Abgeordnete aus Union und SPD angehören. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Erndl (CSU), soll darin gemeinsam mit seinem Counterpart von der SPD, Falko Droßmann, und den beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Siemtje Möller (SPD) und Norbert Röttgen (CDU) eine Lösung in dem Streit erarbeiten.

Es war auch diese Arbeitsgruppe, die den Vorschlag für das Losverfahren zur Musterung erarbeitet hatte. Dieser hatte quer durch die Gesellschaft für massive Kritik und Häme gesorgt. Auch Pistorius kritisierte den Vorschlag in seiner eigenen Fraktion scharf, weil er dadurch sein Gesetzvorhaben entkernt sah.

Der Verteidigungsminister möchte mit seinem Gesetz die sogenannte Wehrerfassung steigern, also mit den verpflichtenden Musterungen feststellen, auf wie viele Menschen die Bundeswehr im Krisenfall zugreifen kann. Außerdem möchte er erreichen, dass die Bundeswehr bis Anfang der 2030er über 260.000 aktive Sol­da­t*in­nen verfügt. Durch eine in Zukunft verpflichtende Musterung sollen sich dafür genug Freiwillige finden lassen.

Hinzukommen sollen 200.000 Reservist*innen. Derzeit dienen bei der Bundeswehr etwa 182.000 Soldat*innen. Am kommenden Montag soll es zu dem Gesetzentwurf im Bundestag eine Anhörung mit Ex­per­t*in­nen geben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare