Neuer alter Premier Lecornu: Macrons Grüße aus dem Elfenbeinturm
Das Festhalten des französischen Präsidenten an seinem Premier zeigt: Ein baldiges Ende der politischen Krise ist nicht in Sicht – im Gegenteil.

N ach Lercornu I. kommt Lecornu II. In Paris zirkulierte das unter Journalisten mehr als Witz. Dass Präsident Emmanuel Macron diesen farblosen Vertrauten erneut und wider aller Ratschläge, Warnungen und Drohungen mit einer Regierungsbildung beauftragt, ergibt keinen Sinn. Denn da er nun noch weniger Unterstützung und Ermutigung erhält als bei seinem ersten Versuch, scheint das Vorhaben zum Scheitern verurteilt zu sein.
Die äußerst heftigen Reaktionen der Opposition zeigen, dass der erneut als Premierminister ernannte Sébastien Lecornu mit keinerlei Schonzeit rechnen darf. Und auch in den Reihen der bisherigen Regierungsparteien herrscht null Zuversicht. Wer noch mitmacht, tut dies wie Lecornu selber nur noch aus „Pflichtgefühl“, aber ohne Überzeugung. Macrons Rechthaberei ist absurd. Mehr denn je scheint er sich, weitab von der politischen Realität, im Elfenbeinturm seiner hohl gewordenen Macht eingeschlossen zu haben.
War Lecornu der Einzige, der zu Macron nicht Nein sagen konnte? Hatte der Präsident wirklich keine bessere Karte in der Hand? Das würde bedeuten, dass er mit seinem Festhalten an seiner Linie wirklich in einer Sackgasse gelandet ist, aus der es für ihn keinen Ausweg gibt. Darüber mögen sich seine zahlreichen Gegner schadenfreudig amüsieren. Für Frankreich und Europa aber ist diese Sturheit bis an den Rand des Abgrunds ein Desaster.
Macrons Festhalten an Lecornu gibt keinen Lichtblick auf ein baldiges Ende der politischen Krise, es ist im Gegenteil die Garantie für eine Fortdauer der Unsicherheit und Instabilität. Die politischen und finanziellen Kosten für Macrons Versuch, mit seinem Treten an Ort und Stelle weiter Zeit gewinnen zu wollen, sind enorm. Frankreichs Image in der Welt leidet, die ausländischen Investoren gehen anderswo hin, und die Französinnen und Franzosen selber sind pessimistisch und hassen die Politik.

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Am Ende des Tunnels warten auf Frankreich vorzeitige Wahlen, auf die sich die Rechtspopulisten um Marine Le Pen siegesgewiss als erklärte Favoriten vorbereiten. Mit seiner wirklichkeitsfremden Chaospolitik ebnet Macron der Rechtsextremistin den Weg an die Macht. Da er bis zum bitteren Ende keinen Wechsel zulässt, sehen immer mehr Bürger und Bürgerinnen in der populistischen Rechten die einzige Alternative zu Macron und den etablierten Parteien, die sich diskreditiert haben.
Für die einst in einer „Neuen Volksfront“ gegen Macron vereinte, seit Monaten und Wochen aber hoffnungslos zerstrittene Linke scheint die Lage noch immer nicht ernst genug zu sein, um sich zusammenzuraufen – um gemeinsam Macron und der Rechten die Macht streitig zu machen.
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