Neues Album der Gorillaz: Mammutwerk mit Makel

Murdoc, 2D, Russel und Noodle sind zurück: „Humanz“ ist das erste musikalische Lebenszeichen der Gorillaz seit sieben Jahren.

Vier Cartoon-Figuren auf einer Couch

Die vier fiktiven Bandmitglieder namens Murdoc, 2D, Russle und Noodle wirken eher gut gelaunt Foto: Warner

Mit einer Wiederauferstehung der virtuellen Cartoon-Band Gorillaz hatte man nicht mehr gerechnet. Die Gründer Damon Albarn und Jamie Hewlett waren verkracht, eine Versöhnung schien eher unwahrscheinlich. Sieben Jahre vergingen seit dem letzten Album.

Ein Zeitraum, in dem Albarn etliche andere Projekte vorantrieb, gilt er doch als einer der umtriebigsten Musiker im britischen Pop. Er veröffentlichte ein Soloalbum namens „Everyday Robots“ (2014), eine Oper mit dem Titel „Dr. Dee“ (2011), reanimierte Blur für das Album „The Magic Whip“ (2015) und tourte mit der Weltmusiktruppe Africa Express.

Dabei waren Gorillaz, die mit dem Überhit „Clint Eastwood“ 2001 starteten, nicht nur Albarns ambitioniertestes, sondern auch kommerziell erfolgreichstes Projekt. Sieben Millionen Mal verkaufte sich allein das selbstbetitelte Debüt.

Das Verschwinden der realen Künstler hinter animierten Figuren war sein ausgestreckter Mittelfinger gegen öde Popstar-Klischees und Personenkult, mit dem er seit seiner Blur-Zeit als Posterboy des Britpop fremdelte. Die Weigerung, die Bandmitglieder als authentische Musiker darzustellen, erinnerte entfernt an Kraftwerks Roboterprinzip. In der Verschmelzung von Comic und Musik markierten die Gorillaz von Beginn an ein innovatives Gesamtkunstwerk.

Ambitioniertes Mammutwerk mit 20 Songs

Die vier fiktiven Bandmitgliedern namens Murdoc, 2D, Russel und Noodle sahen so abgefuckt aus, als seien sie einem Blade-Runner-Universum entsprungen und performten in einem düsteren Endzeitszenario, gezeichnet von Tank-Girl-Erfinder Jamie Hewlett. Höhepunkt des Schaffens war dann das meisterhafte und überwältigend schöne dritte Album „Plastic Beach“, eine gesellschaftskritisch smarte Symphonie, die große Namen wie Lou Reed, Mark E. Smith, Mick Jones, Paul Simonon, SnoopDogg und Bobby Womack versammelte. Die Messlatte lag seitdem hoch: „Humanz“ ist gemessen daran gut, aber keinesfalls eine Steigerung.

Daran ändert auch nichts, dass Albarn noch promisker als bei den letzten Alben unterwegs ist: Er vereint so viele Gastmusiker, dass man schier den Überblick verliert: Big Player wie De La Soul oder Grace Jones tauchen neben hierzulande weniger prominenten Musikern wie Rapper Vince Staples oder der R’n’B-Sängerin Kelela auf. Aber nicht jeder hatte Lust auf dieses Projekt: Morrissey, Dionne Warwick und Sade sagten Albarn ab.

Das prophetisch-melancholische „Hallelujah Money“ als Anklage korrupter Politiker ist ein deutlicher Rant gegen Trump, erschien der Song doch am Tag seiner Amtseinführung.

„Humanz“ ist zweifellos ein interessantes und ambitioniertes Mammutwerk mit 20 Songs, auf der Deluxe-Version sogar 25. Das musikalische Spektrum sprengt Genregrenzen und vereint Einflüsse aus HipHop, Rap, R’n’B, Reggae und Pop. Gleichzeitig krankt die Platte an einer zerfaserten Unentschlossenheit: Ein Großteil der Lieder besitzt auch nach mehrmaligem Hören nur diffusen Wiedererkennungswert. Dennoch gibt es einige löbliche Höhepunkte wie das schwermütige „Busted and blue“, die Weltumarmungsgospelhymne „We Got the Power“ – zu der Albarns Ex-Intimfeind Noel Gallagher die Backing Vocals beisteuert – und die großartige Single „Hallelujah Money“. Einen Instant-Hit wie seinerzeit „Clint Eastwood“ vermisst man allerdings.

Politische Botschaft subtil verpackt

Von der ursprünglichen Intention des Albums, einen Soundtrack zur Wahl des amtierenden US-Präsidenten Trump als Beginn eines apokalyptischen Zeitalters zu komponieren, hat sich Albarn in Interviews mittlerweile wieder distanziert. Das prophetisch-melancholische „Hallelujah Money“ als Anklage korrupter Politiker ist zwar ein deutlicher Rant gegen Trump, erschien der Song doch am Tag seiner Amtseinführung.

Doch die politische Botschaft ist sehr subtil verpackt, ebenso in „Ascension“, in dem der Kalifornier Vince Staples von Rassismus und Ungleichheit rappt: „Police everywhere. It’s like a nigga killed a white man“. Beeindruckend ist in jedem Fall, wie dieses Album Rap, HipHop und Pop vereint. Albarn kokettierte übrigens selbst damit, er habe eine Partyplatte machen wollen – britisches Understatement?

Gorillaz: „Humanz“ (Warner). Präsentation in Berlin: Gorillaz Spirit House, 28.–30. April, Brunnenstraße 19–20, Berlin-Mitte

Dass Gorillaz auch visuell auf den Putz hauen, ist nettes Beiwerk zum Album-Release: Mit einer Augmented Reality App kann man ein Studio erkunden, Soundinstallationen in Berlin, New York und Amsterdam visualisieren ein fiktives „Horrorhaus“ und erwecken die virtuellen Bandmitglieder zum Leben. Knallhart wird das Prinzip der abstrakten Comicband natürlich nicht durchgezogen: Beim Debütkonzert zum Album in London standen Albarn und Co. dann doch statt ihrer Cartoon-Alter-Egos auf der Bühne.

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