Neues Album von Ariel Pink: Er sucht doch nur nach wahrer Liebe

In einem Moment ehrlich, im nächsten schelmisch: Der Do-it-yourself-Pop von Ariel Pink ist toll – auch auf dem neuen Album „Pom Pom“.

„Vielleicht gefällt ihnen ja auch einfach sein Stil nicht“: Ariel Pink, weichgezeichnet. Bild: Sasha Eisenman/promo

So macht es Madonna immer: Der Superstar kauft angesagte Hotshots ein, die kurz vor dem Durchbruch stehen, und verpflichtet diese für Produktion und Arrangements ihrer neuen Alben. Nun habe Madonnas Management bei Ariel Pink angeklopft, behauptete der kalifornische Künstler in einem Interview: „Sie braucht wohl etwas mehr Kante.“ Statt des x-beliebigen schwedischen Jung-DJs mit Technoaufguss, wolle sie zur Abwechslung richtig gute Hooklines.

Ohne Zweifel ist der Kalifornier Ariel Pink ein genialer Songschreiber und damit eine der spannendsten Erscheinungen am Do-it-yourself-Himmel des zeitgenössischen Pop.

Am Freitag erscheint sein neues, „Pom Pom“ genanntes Werk. „Scheinbar mühelose Pop-Perfektion“, erklärt Pinks Kollege Don Bolles, Schlagzeuger der legendären L.A.-Punkband The Germs, der an den Aufnahmen beteiligt war. Seinem Urteil kann man sich nur anschließen: Die 17 neuen Songs auf „Pom Pom“ sind tolle, eingängige Popmusik.

Allerdings verleitet Pinks lockeres Mundwerk potenzielle Hörer immer wieder dazu, auf Distanz zu gehen. Obgleich er Madonna eigentlich ein Kompliment machen wollte – siehe oben –, nämlich, dass ihr Debütalbum richtig gut war, duldet die Queen of Reinvention derlei rüpelhaftes Verhalten natürlich nicht. Und prompt konterte ihr Manager, Guy Oseary via Twitter: „Wir haben noch nie etwas von Ariel Pink gehört. Madonna ist an der Zusammenarbeit mit Meerjungfrauen nicht interessiert.“ Schöne Grüße aus Disneyland.

Ariel Pink: „Pom Pom“ (4AD/Beggars Group/Indigo)

Der große Erfolg ließ bei Ariel Pink verflixt lange auf sich warten, aber er kam schließlich, als sein Song „Round and Round“ 2010 in die Charts des renommierten US-Internet-Musikmagazins Pitchfork gelangte. Einstimmig wurde das darauffolgende Ariel-Pink-Album mit dem programmatischen Titel „Mature Themes“ (2012) von der Kritik bejubelt.

Mit Opa zum Table-Dance

Das hindert Ariel Pink aber nicht, die Medien weiterhin kräftig vor den Kopf zu stoßen – zum Beispiel mit wilden, unangeforderten Liebesbekundungen, die wahlweise Leichenschänder, Pädophile oder die schwulenfeindliche Westboro Baptist Church betreffen können. „Gespräche mit Pink neigen dazu, ins Schleudern zu geraten“, beschreibt das Magazin The New Yorker ein Interview mit dem 36-jährigen Künstler. Pitchfork findet: „Pink ist in einem Moment ehrlich, im nächsten schelmisch, und kurz darauf juvenil.“ Offensichtlich hat der Glamrocker aus Beverly Hills nicht vor, sich von den Geboten der politischen Korrektheit und der sittlichen Berechenbarkeit unter Druck setzen zu lassen.

So erzählt beispielsweise sein neuer Song „Black Ballerina“ von der Aufklärung eines verklemmten Jungen, unter sachkundiger Aufsicht des Großvaters: Ab in eine Table-Dance-Bar, Opas zweitem Zuhause. Der gut gemeinte Versuch endet mit dem Rauswurf der Familienbande: Der Junge hat eine Tänzerin angegrapscht. Im Videoclip zu „Put your Number in my Phone“ wiederum versucht Pink verzweifelt mit Mädchen ins Gespräch zu kommen, während er einen Kranken im Rollstuhl durch eine Shopping-Mall schiebt. Die Girls wenden sich peinlich berührt ab. Vielleicht gefällt ihnen ja auch einfach sein Stil nicht: Pink trägt einen Cowboyhut, einen wiesengrünen falschen Pelzmantel und hat extra zartrosa Lippenstift aufgetragen.

Und dennoch: Pinks Kompositionen weisen oftmals den nötigen Tiefgang auf. In „Not Enough Violence“ prangert er die im Internetzeitalter endemische Bereitschaft an, sich mit Nacktfotos von Celebrities zuzudröhnen, um die im donnernden Takt über alle Kanäle donnernden Darstellungen allgegenwärtiger Gewalt zu ignorieren.

Vom weiblichen Geschlecht überfordert

Obwohl der Sänger oft genug den Anschein pubertierender sexueller Unreife erweckt, dominiert dennoch vor allem der Eindruck, er sei vom weiblichen Geschlecht überfordert: „All I wanted was a girlfriend all of my life / But she’s too sexual“, winselt er in „Sexual Athletics“. In „Exile on Frog Street“ stilisiert er sich folgerichtig zum märchenhaften Froschkönig.

Mindestens die Hälfte aller Songs auf „Pom Pom“ beschwört die Sehnsucht nach wahrer Liebe, was angesichts der musikalischen Vielfalt, die in den Songs zum Tragen kommt, nicht sonderlich auffällt. Ansatzlos wechselt Pink von Sixties Garagen-Psychedelic zu Protopunk oder New Wave und zurück zum kalifornischen Sunshine Pop.

Bei der virtuosen Wiederbelebung ausgewählter Musikgenres des letzten Jahrhunderts bekam Pink seinerseits Unterstützung von Kim Fowley, einer Kultfigur des kalifornischen Underground Rock. Fowley, Produzent und Songschreiber und in den 70ern selbst Glampopstar, arbeitete unter anderem mit der Frauen-Hardrockband Runaways und schrieb Songs für Kiss. Aus der Zusammenarbeit des mittlerweile ans Krankenbett gefesselten 75-jährigen Fowley sind fünf geniale Ariel-Pink-Songs und der äußerst gelungene Werbejingle „Jell-o“ entstanden – eine flapsige Ode an die gleichnamige gelatinöse Nachspeise.

Schleimig ist diese Songsammlung aber keineswegs. Bei Ariel Pink erklingt die reinste Spielfreude. Ein rotziger Punksong heißt plakativ „Negativ Ed“, nach Paul McCartney anmutende Balladen werden mit aufgesetztem britischen Akzent interpretiert, New Wave ergeht sich in düsterem Gothic-Gesäusel.

In all dem stilistischen Durcheinander grenzt es immer wieder an ein Wunder, wie perfekt Ariel Pink dabei stets den richtigen Ton trifft. Laut eigenem Bekunden hatte er gar nicht vor, Popmusik zu erneuern. Viel lieber kreiert er Songs, die würdevoll altern. Er beweist damit Haltung im zeitgenössischen Pop, der lieber krampfhaft jugendlich bleiben möchte.

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