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Neues Album von KraftklubMusik für eine morbide Playlist

Die sächsische Band Kraftklub feiert auf ihrem neuen Album „Sterben in Karl-Marx-Stadt“ das Leben, den Tod – und ihre Heimatstadt.

Kraftclub: die fünf Mittdreißiger sind erneut reifer geworden Foto: Philipp Gladsome

Es gibt Menschen, die wissen schon genau, welche Musik auf ihrer Beerdigung gespielt werden soll. Kraftklub haben solche Songs jetzt selbst komponiert „Sterben in Karl-Marx-Stadt“ heißt das fünfte Werk der Chemnitzer Band und ist eine Art Konzeptalbum zum Thema Tod. Auf der aktuellen Single malt sich Felix Kummer – unterstützt von Singer-Songwriter Faber – verschiedene Arten aus, wie er zu Tode kommen könnte, und betrauert „All die schönen Worte“, die er leider nie gesagt hat und nun ins Grab mitnimmt.

„Wenn ich tot bin, fang’ ich wieder an zu rauchen, dann wird drei Tage lang geravt“, auch so eine Zeile für die Funeral-Playlist und ein guter Plan fürs Jenseits. Dass der Tod nichts Todtrauriges sein muss, hat die Band in Mexiko erfahren, wo sie vor zwei Jahren gastierte, als dort gerade Día de los Muertos – Tag der Toten (Allerheiligen) – gefeiert wurde, der Feiertag, an dem die Toten mit lauten, bunten Festen geehrt werden. „Wir kannten bisher nur unsere deutsche, sehr klemmige Art mit dem Thema umzugehen“, schreiben Kraftklub auf Instagram. Aber das habe sich seit der Zeit in Mexiko gewandelt.

13 Jahre ist ihr gefeiertes Debüt „Mit K“ her, drei Jahre sind seit ihrem letzten Album „Kargo“ vergangen und die fünf Mittdreißiger sind erneut reifer geworden. Nichtsdestotrotz feiern sie immer noch die Nacht durch, von der man hofft, dass sie nie zu Ende geht. Aber das tut sie dann halt doch, und dann steht man da, verkatert und verwirrt.

Motivationsschub fürs Weitermachen

„Auch wenn es Abfuck ist und schwer, wir haben es geschafft schon bis hierher“, singt Felix Kummer im Song „Marlboro Mann“, einem berührenden Motivationsschub übers Weitermachen. Bis hierher geschafft, das bedeutet im Falle Kraftklub alles andere als Abfuck, sondern ein Trip bis an die Spitze der Charts, von kleinen Clubs bis in die größten Hallen des Landes.

Kraftklub

Kraftklub: „Sterben in Karl Marx Stadt“ (Eklat/Universal)

Tour beginnt am 3. März 2026 in Schwerin

Denn Kraftklub sind vor allem als Live-Band begehrt. Die Musik des neuen Albums macht zwar trotz aller thematischer Schwere auch Spaß, aber noch mehr Freude bereiten die Guerilla-Aktionen der Band. So haben sie schon vor einigen Monaten mitten in ihrer Heimatstadt Chemnitz in riesigen Lettern den Schriftzug „Sterben in Karl-Marx-Stadt“ aufgestellt.

Mal verstecken sie sich in Plattenläden, um dort Fans zu überraschen, dann wieder spielen sie unangekündigte Spontan-Gigs an ungewöhnlichen Orten, zu denen Fans sie eingeladen haben – egal ob Kaufhalle, Straßenbahn oder Anti-AfD-Demo, wie vergangenes Wochenende in Gießen. Meist klappt es mit der Mischung aus cleverem Marketing und Kunstaktion, hin und wieder hauen sie ein kritisches Statement raus.

Debatten im Familienchat

Stumpfe politische Parolen finden sich auf „Sterben in Karl-Marx-Stadt“ nicht. In „So rechts“ lassen sich die Sachsen ironisch darüber aus, wie man trotz progressiver Jugend im Alter plötzlich reaktionäre Meinungen in den Familienchat postet. Oder sie machen sich lustig über Bands, die sich nicht positionieren und nur Funpunk-Lieder über Schnaps spielen wollen.

Kraftklub haben sich schon immer klar gegen Rassismus und Rechtspopulismus geäußert, ob in Songs, auf Social Media oder bei besonderen Gigs wie beim CSD in Bautzen. 2018 organisierten sie ein legendäres Protest-Konzert gegen rechtsextreme Ausschreitungen in Chemnitz.

Jetzt ist man sich nicht mehr sicher, ob das damalige Motto „Wir sind mehr“ überhaupt noch zieht und freut sich schon, wenn man nicht ganz allein bleibt. „Solang noch einer ‚Fickt euch alle!‘ schreit / Sind wir noch nicht verlor’n“, heißt es im Song „Schief in jedem Chor“, in den dann auch ein ganzer Chor einstimmt. Feature-Gäste sind etwa Deichkind und Domiziana.

Düsteres Schreddern

Musikalisch klingen Kraftklub, die schon immer Indie-Gitarren-Geschredder, Punk-Attitüde und Deutschrap zu einem eigenen Amalgam vermischten, wieder mehr wie in ihren Anfängen. Man hört auch Anklänge an Felix Kummers Soloalbum „Kiox“ (2019), mit dem der Sänger seine düsteren persönlichen Gefühlslagen thematisierte. Das kann er jetzt auch mit seiner Band.

Denn neben dem Ende des Lebens geht es auch um das Ende von Beziehungen und Beziehungen, die nicht enden wollen. Und klar ist: Kraftklub sind noch lange nicht am Ende.

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