Neues Album von Major Lazer: Wabbel-Arsch als Dividende

DJ Diplo hat mit Major Lazer ein Kunstprojekt ins Leben gerufen, das durch seine Zusammenarbeit mit bekannten SängerInnen lebt.

Major Lazer: Eine Art Bling-Bling-Comicfigur. Bild: Promo

Maschinenächzen und Kassenklingeln. Wortfetzen auf Synthiemelodien, die man so ähnlich schon gehört zu haben glaubt. War es ein Moombaton-Track? Oder Cumbia? Baile Funk? Oder ein Evergreen von den Eurythmics? Hui, wie das flutscht. Gelungene Variationen müssen frech sein, klar, so funktioniert nun mal Pop. Aber gleich so krass? Major Lazer bedeutet Abfahrt und gleichzeitig hinterlässt diese Musik einen etwas faden Beigeschmack.

Der Sound von Major Lazer gehorcht zwei simplen Botschaften: Party, bis einem Hören und Sehen vergeht. Und zum Durchschnaufen: Schmusen, bis man vor lauter Romantik absäuft. Weiter geht die Party: „Turn around / Stick it out / Show the world what you got“, befiehlt eine Stimme in dem Track „Bubble Butt“. Ein Wabbel-Arsch als Dividende, die Cash abwerfen muss.

Major Lazer ist musikgewordene Verwertungslogik, bei der es ausschließlich ums Pekuniäre geht: Auf seiner Tumblr-Seite präsentiert Diplo in einem Foto Dollarscheine wie Beutestücke auf der Motorhaube eines Ferrari, so wie man sich einst Speere über den Kamin hängte. Diese provokommerzielle Bling-Bling-Inszenierung passt perfekt zu den Beobachtungen des britischen Autors Mark Fisher. In seinem Essay „Kapitalistischer Realismus“ beschreibt er die Gleichförmigkeit einer Warenwelt ohne Alternativen. „Kapitalismus bleibt übrig, wenn Rituale oder elaborierte Symbolwelten kollabiert sind und nur noch der Zuschauer-Konsument durch die Ruinen und Relikte wandert.“ Nur, dass bei Major Lazer die Konsumenten nicht wandern, sondern im Stakkato tanzen.

Das Unterhaltungsgebot des Discjockeys trägt DJ Diplo (ein Alias des US-Amerikaners Thomas Wesley Pentz) schon in seinem Künstlernamen. Major Lazer hat er zusammen mit seinem DJ-Partner Switch (bürgerlich Dave Taylor, ein Brite) aus der Taufe gehoben. „Guns don’t kill people … Lazers do“ hieß ihr 2009 erschienenes Debütalbum.

Hits für M.I.A, Justin Bieber und Usher

Inzwischen bestreitet Diplo Major Lazer im Alleingang. Er versteht seinen Job ohnehin als Arbeitsteilung, bleibt als Produzent im Hintergrund und steuert Backing-Tracks für SängerInnen bei. So war Diplo etwa verantwortlich für den künstlerischen Werdegang von M.I.A., mit der er auch eine Weile liiert war. Ihren Hit „Paper Planes“ produzierte er, aber auch für andere Stars wie Beyoncé, Snoop Dogg, Justin Bieber oder Usher schneiderte Diplo jeweils Hits.

Und als DJ lässt er sich vom Global Dancefloor inspirieren. Erst war es brasilianischer Baile Funk, dann Pop aus Indien und Angola, inzwischen fährt Diplo auf kambodschanischen HipHop ab. Nur, er ist längst ein Resident-DJ in Las Vegas und arbeitet für Majorlabels. Ob diese Import/Export-Funktion wirklich für alle Seiten fair vonstatten geht, ist die Frage.

Als Major Lazer wiederum holt sich DJ Diplo für jeden Song jeweils Künstler ans Mikrofon. Weltumspannende Koalitionen zwischen Dancefloor und Indie werden so geschmiedet. Seine Gästeliste kann sich fürwahr sehen lassen: Santigold, Amber Goffman (Dirty Projectors), Vybz Cartel, Peaches, Ms. Dynamite, Ezra Koenig (Vampire Weekend), Bruno Mars, Shaggy, ja sogar Wyclef Jean holt Major Lazer für ein „Feature“ ins Boot.

„Free the Universe“ verheißt das neue Album dann auch im Titel. Aber die Musik bedeutet genau das Gegenteil von universeller Befreiung. Eher ist es Zuspitzung, Zielgruppenoptimierung, ein wasserdichtes Abklopfen vorhandener Musikmuster. Wie in einem Blockbuster-Film gibt es Product Placement: „Jet Blue Jet“ heißt einer dieser Knochenbrecher-Tracks, in dem eine Stimme endlos „I like Jet Blue Jet“ wiederholt, als Ode an eine US-Billigfluglinie.

Musikalischer Elendstourismus

Nein, Berührungsängste kennt Diplo keine: Als Mastermind hinter dem Internethype „Harlem Shake“, fledderte er einen afroamerikanischen Tanzstil. „Musikalischer Elendstourismus“ hieß es dazu im Netz. Und seine Ex M.I.A. beschimpfte ihn vor kurzem als „Fame Whore Colonizer“. DJ Diplo hält dagegen: Ich bezahle für alles, was ich nutze.

Tatsächlich ist Diplo inzwischen als Produzent in Jamaika äußerst gefragt. Und er betont seinen Background als Lehrer in einer Problemschule seiner Heimatstadt Philadelphia. Die Dinge liegen komplizierter. DJ Diplo ist ein Dienstleister im Mainstream-Unterhaltungskapitalismus und als Major Lazer gibt er gleichzeitig den Spindoctor, Meisterdieb und Superhelden. Und das klingt manchmal ziemlich geil. Leider.

Major Lazer: „Free the Universe“ (Warner); live: 24. April „Uebel&Gefährlich“ Hamburg, 16. Mai „Berghain“ Berlin

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