Neues Buch von Miriam Meckel: Mein Haus, mein Auto, mein Burn-out

Krankheit hin oder her, die Kommunikationswissenschaftlerin und Anne-Will-Freundin Miriam Meckel hat alles unter Kontrolle. Diagnose: unheilbar.

Meckel über sich selbst: "Ich halte Termine. Ich gebe selbst dann noch Vorlesungen, wenn ich Fieber und Grippe habe. Ich bin pflegeleicht." Bild: dpa

Obwohl die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel ein Buch über das "Glück der Unerreichbarkeit" geschrieben hatte, musste sie erst krank werden, bis ihr auffiel, dass sie selbst ständig erreichbar war. Ein ruhiger Sonntag bedeutete für sie, Mails zu lesen und zu schreiben, auf ihrem Blog zu posten, zu googeln, den Facebook-Status zu aktualisieren und vielleicht auch noch zu twittern. Bald konnte sie die Symptome der Erschöpfung - Konzentrationsschwierigkeiten, Bauchschmerzen, Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Hörsturz - nicht mehr ignorieren. Der Arzt diagnostizierte einen "schweren Erschöpfungszustand und eine Infektion der Stoffwechselorgane", schreibt Meckel in ihrem neuen Buch "Brief an mein Leben", in dem sie von ihrem Burn-out-Syndrom erzählt.

Sie verbringt fünf Wochen in einer Klinik im Allgäu. Die Therapie beginnt mit einem kommunikativen Stubenarrest: kein Telefon, kein Internet, keine Mails und - einen Tag lang - auch keine Gespräche. Meckel sitzt auf ihrem Zimmer und guckt in die Schneelandschaft. Alles, was sie hört, ist ihr Tinnitus.

Die kommunikative Überforderung ist bei ihr Symptom, nicht Ursache. Meckel nimmt ihren Burn-out nicht zum Anlass für kulturpessimistische Äußerungen über Beschleunigung im sogenannten Informationszeitalter. Sie sucht die Gründe für ihre Erkrankung bei sich selbst und erzählt, wie falsche Annahmen und übersteigertes Pflichtbewusstsein zu ihrem Zustand totaler Erschöpfung führten. Auch wenn Textaufbau, Referenzen und Assoziationen eindeutig die einer Autorin mit akademischem Blick sind (ein Kapitel heißt: "Mein Kategorienfehler") - Meckel interessiert sich vor allem für ihre persönliche Geschichte der Entkräftung.

Sie erzählt von verdrängter Trauer um ihre Mutter und um eine Freundin, die sich das Leben nahm. Sie stellt fest, dass ihr das superaktive Leben als Neonomadin gar nicht so gut gefällt und sie gern irgendwo Wurzeln schlagen würde. Mit ihrer Freundin, der Moderatorin Anne Will, führt sie eine Fernbeziehung, fliegt zweimal im Monat von St. Gallen, wo sie Professorin für Corporate Communications ist, nach Berlin. Zwischendrin reist sie zu Vorträgen und Seminaren in die ganze Welt. Konflikte, schreibt sie, habe sie am liebsten mit sich selbst ausgemacht, bedacht darauf, kein Aufhebens um sich zu machen. "Ich halte Termine. Ich gebe selbst dann noch Vorlesungen, wenn ich Fieber und Grippe habe. Ich bin pflegeleicht."

Mit dem Krankheitsbild Burn-out befasst Meckel sich nur in ein paar Zeilen. Die Professorin, einst die jüngste Deutschlands, will sich entspannen. Knapp weist sie darauf hin, dass sie eigentlich keine Lust hat auf die Peergroup der Burn-out-Erkrankten. Das Burn-out, schreibt sie, gehört inzwischen zur Erfolgsbiografie wie das Eigenheim zur Vorzeigefamilie. Mehr will sie gar nicht darüber wissen. Statt Statistiken zitiert sie Thomas Mann, Peter Sloterdijk und Joan Didion und bleibt beim persönlichen Ton. Das ist insofern mutig, als manche der Überlegungen, wie man sie in Krisenzeiten wohl anstellt, für den Leser, der kein Burn-out hat, eher grundlegend schlicht als erhellend klingen: "Wie viele Aufsätze muss ich schreiben, um geliebt zu werden? Wie viele Flugmeilen muss ich pro Jahr absolvieren, um attraktiv zu bleiben?"

Für Meckel ist das Schreiben Teil der Therapie gewesen. Schon in der Klinik begann sie damit. Aber wollte sie dort nicht eigentlich das Nichtstun lernen? Als Intellektuelle erschließt sie sich die Welt schreibend und lesend, vielleicht verständlich, dass sie auch ihren Zusammenbruch in eine sprachliche Form bringen wollte. Doch ihre Sprache hat nichts Suchendes, nichts Zögerndes, ihr Text ist vielmehr perfekt gegliedert, souverän und auf den Punkt. Nichts entgleitet ihr, und so wirken die 200 Seiten wie das Dokument ihrer Unermüdlichkeit. Das erzählende Ich, das so aufrichtig Leere und Verlorenheit schildert, ist schon längst wieder im Rennen.

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