"Neues Deutschland" unter Beobachtung: Wachsam nach allen Seiten

Für Familienministerin Kristina Schröder ist die Tageszeitung "Neues Deutschland" ein linksextremes Blatt. Ihre Chefin Merkel trifft die Redakteure trotzdem.

Die Aufmerksamkeit von Schröders Pressestelle war "zwischenzeitlich (...) anderweitig gebunden". Bild: dapd

Würde sich Angela Merkel mit Extremisten treffen? Diese Frage beantwortet Jürgen Reents, Chefredakteur der Tageszeitung Neues Deutschland (ND), mit: "Wohl kaum."Er und andere Chefredakteure werden regelmäßig von der Bundeskanzlerin und ihren Ministern zu Gesprächsrunden eingeladen.

Daher waren Jürgen Reents und seine ND-KollegInnen mächtig erstaunt, als sie in der Broschüre "Demokratie stärken - Linksextremismus verhindern" auf Seite 21 lasen, dass ihr Blatt ein linksextremistisches Medium sei.

Genannt werden dort auch die Junge Welt, die Wochenzeitung Jungle World und das DKP-Organ Unsere Zeit. Dazu gibt es eine Erklärung: "Beiträge in diesen Medien unterstützen kommunistische bzw. anarchistische Weltdeutungen und diskreditieren zugleich gegenläufige Nachrichten als ,bürgerlichen Manipulationszusammenhang'."

Lieblingsthema links

Herausgegeben hat die Broschüre, die als Unterrichtsmaterial dient, die Zeitbild-Stiftung, eine gemeinnützige "operative Stiftung", wie sie sich selbst beschreibt. Gefördert wurde das Magazin vom Bundesfamilienministerium. Kristina Schröder (CDU), Chefin des Hauses, schrieb das Vorwort: "Wir müssen gegenüber sämtlichen extremistischen Tendenzen und Auffassungen wachsam sein und dagegen vorgehen, egal von welcher Seite sie kommen."

Extremismus, vor allem aber Linksextremismus, ist bekanntermaßen eines von Schröders Lieblingsthemen. So hält die Ministerin vehement an der Extremismusklausel fest. Die verpflichtet Vereine, die gegen Links- oder Rechtsextremismus arbeiten, dazu, sich zum Grundgesetz zu bekennen.

Schröder wollte auch die Mittel für den Kampf gegen rechts kürzen, die aus ihrem Haus kommen. Angesichts der sogenannten Nazi-Morde, die seit Wochen die Republik in Atem halten, ist das dann aber nicht geschehen.

Für den Hintergrund ist außerdem wichtig, dass die Linke über eine GmbH am ND beteiligt ist. Debatten in und um die Partei prägen den Inhalt des Blattes stark mit. Die Linke wiederum wird von verschiedenen Verfassungsschutzämtern beobachtet.

"Wir sind nicht linksextremistisch", sagt ND-Chef Jürgen Reents: "Es sei denn, Kapitalismus- und Gesellschaftskritik werden schon als Linksextremismus gewertet." Auf sich sitzen lassen wollte das ND die Anschuldigung nicht. Jürgen Reents schrieb am 26. Oktober einen Brief an die Ministerin. Er wollte unter anderem wissen, "auf welchen Quellen die von Ihnen (Kristina Schröder, A. d. R.) zur Schülerinformation empfohlene Einordnung (…) beruht".

Lieblingsthema rechts

Auf die kurze und ausweichende Antwort musste die Redaktion sechs Wochen warten. Warum das? Die Aufmerksamkeit der Pressestelle, so heißt es im Schreiben vom 7. Dezember, war "zwischenzeitlich (…) anderweitig gebunden", unter anderem wegen "unseres von den Regierungsfraktionen dankenswerterweise verstärktem Engagement zur Prävention von Rechtsextremismus".

Auf der Homepage des Ministeriums indes findet sich seit Wochen keine einzige Pressemitteilung über den Kampf gegen rechts. Stattdessen werden ältere Menschen zum Sporttreiben motiviert. Am Montag schrieb das Ministerium einen Studentenwettbewerb zum altersgerechten Bauen und Wohnen aus.

"Ich empfinde die Broschüre als schludrig gemacht", sagt ND-Chef Jürgen Reents. So wurde zum Beispiel Ferdinand Lassalle, der von 1825 bis 1864 lebte und einer der Gründerväter der SPD war, auch als linksextremistisch eingestuft. Sein Konterfei klebt zwischen Marx-Engels-Lenin-Banner und einem roten Stern.

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