Neues Schleich-Computerspiel „Thief“: Guerillakrieg mit Wasserpfeilen

In „Thief“ bestiehlt der Meisterdieb Garrett einen finsteren Adligen. Dabei erweisen sich die Schriften von Mao Tse-tung als recht nützlich.

Auf Mission: Garreth, der Meisterdieb. Bild: Square Enix

„Alle revolutionären Kriege sind gerecht“, schreibt Mao Tse-tung in seiner „Theorie des Guerillakriegs“. Nun, dieser Kampf ist es auf jeden Fall, geht es im Spiel „Thief“ doch gegen einen finsteren Adligen, der eine Art Nazi-Regime errichtet hat.

Dicker Rauch wallt über einer Fabrik, ausgemergelte Körper hängen an Fleischerhaken und Wachmänner versichern sich gegenseitig polternd, sie würden hier nur Befehle ausführen. Ein Baron und seine Lakaien terrorisieren eine Stadt, die in eine Zeit zwischen Mittelalter und Moderne gebaut ist. Gegen die Tyrannei streitet ein Krimineller aus der Gosse, ein Mann namens Garrett.

Er ist ein Dieb, der Beste. Garrett denkt zuvörderst an sich und sucht stets nach der nächsten Möglichkeit, sich zu bereichern. Dass er den Helden spielen muss, ist also eigentlich gar nicht seine Rolle. Aber er hat versucht, den Baron auszurauben und bemüht sich nun, mit den Konsequenzen zurechtzukommen.

Verbündet mit ein paar Versprengten aus der Unterschicht tritt Garrett gegen die wohl gerüsteten Streitkräfte des sinistren Feudalherren an. Was liegt näher als Mao Tse-tung zu Rate zu ziehen? Schließlich hat Genosse M einen der längsten Kämpfe einer unterlegenen Macht – der chinesischen Kommunisten – gegen mehrere überlegene Armeen geführt: gegen die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts diktatorisch regierende Kuomintang und gegen die Japaner, die China im Zweiten Weltkrieg besetzt hatten. Fünfundzwanzig Jahre lang kämpfte Mao, bis zum Sieg.

Als der Völkermord in Ruanda begann, machte unsere Autorin, Tochter einer Tutsi, dort gerade Urlaub. Zwanzig Jahre später blickt sie zurück – und nach vorn. Wie Ruandas neue Generation versucht, ihr Land neu zu erfinden, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 5./6. April 2014. Außerdem: Warum Maos Notizen zum Partisanenkrieg beim Computerspielen helfen. Und: Der Lyriker Yahya Hassan war gerade volljährig, als sein Gedichtband ein Bestseller wurde, ein sonntaz-Gespräch über fehlende Vaterliebe und den Hass der Islamisten. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Der Rebellenführer hat den erfolgreichen Partisanenkrieg erfunden. Mit seinen Mitteln, schreibt der Historiker Sebastian Haffner, könne selbst ein kleines und rückständiges Land jeden Eroberer wieder loswerden.

Knüppel statt Flammenwerfer

So brutal wie im Krieg geht es in „Thief“ allerdings nicht zu. Garrett sieht das Spiel zwar aus der Ich-Perspektive eines Ego-Shooters. Aber anders als in den Ballerspielen hält er in seinen Händen keine großen Pistolen oder Flammenwerfer, sondern einen Knüppel, um Gegner k. o. zu schlagen. Und einen Bogen. Damit kann Garrett töten, in seinem Köcher hat er aber auch Wasserpfeile, mit denen sich Fackeln löschen lassen. Die Munition ist jedoch knapp und die Preise auf dem Schwarzmarkt sind hoch.

Praktischerweise ist Maos „Theorie des Guerillakrieges“ weniger eine Theorie, sondern eher eine Sammlung zweckmäßiger Tipps für den Kampf. „Es muss ein Grundsatz unserer Politik bleiben, dass wir uns hinsichtlich unseres eigenen Bedarfs auf die Kriegsindustrie der imperialistischen Länder und die unseres Feindes im eigenen Land verlassen“, empfiehlt der rote Ratgeber bei Materialmangel. Und in der Tat kann Garrett betäubten Wachen Geld abnehmen und aus Truhen Pfeile für den Bogen und andere Nützlichkeiten stehlen.

Warum man die Waffen der reglosen Soldaten nicht einsacken kann, bleibt obskur. Dafür liegt verkäuflicher Tand wie Kerzenständer, Lupen und Mikroskope überall herum. Die Schlichen der Imperialisten sind wahrhaft unergründlich.

Ein Labyrinth lichtloser Gassen

Das Terrain des Meisterdiebs ist eine Stadt, die keinen Namen hat und auch keinen braucht, in ihr gerinnt das Dunkle und Dreckige aller Metropolen zu einem Labyrinth von lichtlosen Gassen, Durchstiegen, Schächten, Kanälen und Löchern. Das Gelände ist für das schwere Militär unwegsam – ein bedeutsamer Vorteil für einen Guerilla. „Der Feind rückt vor, wir ziehen uns zurück; der Feind schlägt ein Lager auf, wir beunruhigen ihn; der Feind ermüdet, wir greifen an; der Feind zieht sich zurück, wir verfolgen ihn.“ So schrieb es Mao auf, während die Heerhaufen der Kuomintang immer wieder versuchten, seine Rote Armee einzukreisen. Die wich aus und schlug dann dort zu, wo der Gegner schwach war.

Garreths mordlustige Freundin. Bild: Square Enix

Für „Thief“ bedeutet das, leise, beweglich und ungesehen zu bleiben, den Gegner zu umgehen und ihn von hinten niederzuschlagen. Flaschen und Gläser lassen sich werfen, um Patrouillen in eine Richtung zu locken und auseinanderzuziehen. Und wenn die Soldaten allein sind, gibt es was mit dem Knüppel.

Allerdings stoßen Maos Weisheiten irgendwann an die Grenzen ihrer Nützlichkeit. Denn der große Meister setzte auf einen Zermürbungskrieg außerhalb der Städte. Für die wahren Kommunisten schrammte das damals nahe an der Ketzerei vorbei, schließlich sollte eine Revolution laut Karl Marx vom städtischen Proletariat ausgehen, nicht von zerlumpten Bauern. Doch Mao nutzte die Größe Chinas, um die aus den Städten hervorbrechenden Horden der Mächtigen erst auszumanövrieren, sich müde laufen zu lassen und dann zu meucheln. Das kann Garrett nicht, denn es gibt nur die Stadt.

„Thief“ ist das vierte Abenteuer des Einbrechers, sein Debüt von 1998 zählt zu den ersten Computerspielen des Schleich-Genres. Garrett ist ein Veteran. Aber wofür kämpft er?

Maos Ziel war klar: das Land einen, es beherrschen, Kommunismus natürlich und die Abschaffung des Krieges, das schreibt er jedenfalls. Garrett hingegen ist kein Revolutionär, er wird das feudale System nicht stürzen. Deshalb erscheint er allerhöchstens als ein subversives Element, wie es der linke Politikwissenschaftler Johannes Agnoli verstanden hat: „Alle Subversion verweist auf ein unzweideutiges Prinzip, das Prinzip Widerstand.“ Der Dieb ist kein politischer Krimineller, sondern allenfalls ein Krimineller, der in die Politik geraten ist.

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