Neues Tourismuskonzept: Touris raus – aus der Innen­stadt?

Am Donnerstag wird vor Gericht über die Bierbikes verhandelt. Und was ist mit den Ferienwohnungen? Vier Beispiele für den Umgang mit Touristen in Berlin.

Anders als Bier-Bikes nerven Segways nur manchmal Foto: Paul Langrock/Zenit

Bier-Bikes vor Gericht

Nein, die Bier-Bikes gibt es nicht mehr. Sie heißen jetzt Big-Bikes. Ulrich Hoffmann-Elsässer hat sich das ausgedacht, der Unternehmer aus Königs Wusterhausen, der sich ein bisschen um das Image dieser Theken auf Rädern gesorgt hat. Vielleicht denkt ja bei Big-Bikes nicht jeder gleich an Sauftourismus.

Zahlen 30 Millionen Touristen pro Jahr, 230.000 Vollzeitarbeitsplätze, 6,7 Prozent des Berliner Volkseinkommens – der Tourismus ist ein prägender Faktor für die Stadt. In manchen Kiezen sind die Grenzen der Belastbarkeit für die Anwohner allerdings ausgereizt. Mit einem Tourismuskonzept, das der Senat Ende Januar zur Kenntnis genommen hat, will die Politik nun Steuerungsmöglichkeiten zurückgewinnen. Das Ziel ist nicht mehr allein die quantitative Steigerung der Touristenzahlen, sondern ein „stadtverträglicher und nachhaltiger Tourismus“.

Kiez meets Touris Dem Konzept zufolge soll die „Erlebnisqualität“ für Besucher mit der „Lebensqualität“ der Berliner in Einklang gebracht werden. Touristenströme sollen gelenkt werden, sodass es weniger zu störenden Ballungen kommt, etwa durch kulturelle Angebote außerhalb bestehender Hotspots. Um die Akzeptanz der Bewohner zu steigern, sollen sie innerhalb ihrer Kieze stärker einbezogen werden. Auf die Fahnen schreibt sich der Senat zudem bessere Arbeitsbedingungen in der Tourismusbranche, Klimaschutz und Energiewende.

Strategie Fünf Leitlinien sind formuliert: die stärkere Zusammenarbeit verschiedener Akteure in Politik und Verwaltung, verbesserte Qualität des Tourismus auf allen Ebenen, Partizipationsmöglichkeiten für die Berliner, Monitoring und kiezbasierte Tourismussteuerung. (epe)

Geht es nach Burkhard Kieker, dürfte es weder Bier-Bikes noch Big-Bikes geben. Aber vorerst geht es nicht nach dem Geschäftsführer von Visit Berlin, der wie der Senat den Tourismus in Berlin salonfähiger machen will, sondern nach dem Verwaltungsgericht Berlin. Am 22. Februar findet eine Anhörung statt. Denn Hoffmann-Elsässer hat gegen das Teilverbot geklagt, das der Bezirk Mitte 2014 gegen die Bier-Bikes verhängt hat. Manche Straßen wie Unter den Linden sind seitdem tabu. Doch das will der Betreiber nicht hinnehmen.

Andere dagegen hätten am liebsten heute statt morgen alle Bier-Bikes überall weg. So wie es Amsterdam und auch Düsseldorf vormachen. Doch eine Untersuchung vor zwei Jahren durch die Polizei hat ergeben, dass von den Bier-Bikes keine Gefahr ausgeht. Keine Argumente gegen ein Verbot, heißt es seitdem aus der Verkehrsverwaltung. „Es gab im letzten Jahr nur eine Anzeige“, so Sprecher Matthias Tang zur taz.

Also entscheidet das Gericht. Ob bei einer Bestätigung des Verbots auch weitere Bezirke die Notbremse ziehen, will Tang nicht sagen. „Warten wir erst den Donnerstag ab.“ (wera)

Straßensperrstunde

Es gibt einige unglückliche Straßen in Berlin, in der sich die Touristenkneipen reihen wie die Socken auf der Wäscheleine – aber eine der unglücklichsten ist sicherlich die Simon-Dach-Straße in Friedrichshain. Immer wieder gab es Versuche, das laute Treiben dort zumindest einzudämmen, eine Beschränkung des Außenausschanks im nördlichen Teil vor 15 Jahren, 2015 eine Aktion mit Pantomimen, die bei den Partygängern um mehr Rücksichtnahme warben. Doch nun will der Bezirk durchgreifen. Ab dem 2. Mai sollen alle Gaststätten ihren Außenausschank ab 23 Uhr schließen. Das Bezirksamt will das in den nächsten Wochen beschließen.

Die Meile zwischen RAW-Gelände und Boxhagener Straße ist mit 3.000 Biergartenplätzen einer der Hotspots für Partytouristen. In den letzten Jahren haben sich Beschwerden von Anwohnern beim Ordnungsamt und der Polizei gehäuft, sagt Sara Lühmann, Sprecherin des Bezirksamts.

Niemand will, dass Berlin ein stilles Dorf wird – Auswüchse wie die in der Simon-Dach-Straße sind trotzdem für viele Anwohner eine Katastrophe. Was die neue Verordnung bringen wird, ist allerdings fraglich: Bekanntlich gibt es dank zahlreicher Spätis genug Möglichkeiten, in lauen Sommernächten auf der Straße zu feiern. Außerdem machen auch Menschen Lärm, wenn sie nur von Bar zu Bar ziehen. Wer also Ballungszentren wie die Simon-Dach-Straße verhindern will, muss früher ansetzen. (sm)

Hotelentwicklungsplan

„Was Venedig die Kreuzfahrtschiffe sind, sind Berlin die Hostels – touristische Infrastrukturen, die Alltagsleben verdrängen und auf Kosten der städtischen Infrastruktur gehen“, so formulierte es Katalin Gennburg, Sprecherin der Linksfraktion für Stadtentwicklung, als vergangenes Jahr in der Neuköllner Weserstraße ein Hostel ohne Genehmigung monatelang Touristen in ein Wohnhaus lockte.

Tatsächlich hat die Politik kaum Einfluss darauf, ob und wo neue Hotels, Pensionen oder Hos­tels eröffnet werden. Etwa 800 Beherbergungsbetriebe mit 140.000 Betten gibt es bereits; zusammen kamen sie im vergangenem Jahr auf etwa 13 Millionen Übernachtungen. Insbesondere in den Innenstadtbezirken ist deren Dichte hoch und sind die Auswirkungen auf die Nachbarschaft groß.

In der Koalition wird daher über einen Hotelentwicklungsplan gesprochen. Im beschlossenen Tourismuskonzept des Senats (siehe Kasten) ist davon die Rede, „Möglichkeiten eines Ansiedlungsmanagements und der Steuerung des Beherbergungsmarktes zu nutzen“. Erreicht werden solle damit „eine bessere räumliche Entzerrung sowie eine Verbesserung der Preisstruktur“. Barcelona hat es vorgemacht und in einem Hotelentwicklungsplan neue Ansiedlungen in der Innenstadt untersagt – zum Ärger der Bewohner in den Außenbezirken, die sich gegen Hotelpläne in ihrer Nachbarschaft zur Wehr setzten. (epe)

Ferienwohnungen

Zwar sind in den vergangenen Jahren etwa 4.000 ehemalige Ferienwohnungen wieder zu normalem Wohnraum geworden, dennoch hat sich das bisherige Gesetz als wenig praxistauglich erwiesen. Am Donnerstag geht daher die Neufassung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes zu seiner ersten Lesung ins Parlament. Der Senat will erlauben, die eigene Wohnung bis zu 60 Tage im Jahr zu vermieten.

Doch kurz vor knapp drängen Abgeordnete der Regierungsfraktionen und Stadträte der Bezirke darauf, die 60-Tage-Regelung wieder zu kippen. Ein Gespräch mit Stadtentwicklungssenatorin Kat­rin Lompscher (Linke) ist für Donnerstag anberaumt. Das Problem, das die Fachpolitiker sehen: Eine Kontrolle, ob eine Wohnung illegalerweise für mehr als 60 Tage angeboten wird, scheint kaum möglich und könnte die Bezirke überlasten.

Noch fehlt eine versprochene Software, die automatisch erfassen soll, ob Angebote die Registriernummer enthalten, die künftig von den Bezirksämtern pro Ferienwohnung vergeben werden. Mit ihr sollen die angebotenen Wohnungen für die Behörden identifizierbar werden. Doch den Missbrauch werden sie wohl nicht verhindern. Anbieter könnten auf nicht erfasste Portale ausweichen. Eine Auskunftspflicht für die Portale findet sich im Gesetz nicht, freiwillig aber werden Airbnb und Co. keine Daten der gesetzwidrigen Angebote herausrücken. (epe)

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