Neues Webportal für Lehrer: Erstmal besser machen

Endlich ein erster Schritt, hochwertiges Lehrmaterial digital verfügbar zu machen. Der erste Versuch eines Schulbuchverlags nach dem Schultrojaner-Ärger.

Wie man sich eine moderne Lehrerin vorstellt ... Bild: screenshot taz

BERLIN taz | Schultrojaner, Content Mafia, Totholzmedienfabrikant – so wird man als Verleger heute auf Blogs, Twitter oder im face-to-face von Vertretern der sogenannten Netzgemeinde liebevoll genannt. Aber, wie es scheint haben die Verlage den „wind of change“ gespürt und die Segel ihrer scheinbar untergehenden, doch zumindest nicht mehr ganz weißen Segeljacht geflickt und in den Wind gedreht.

Seiten wie digitale-schulbuecher.de oder das schnellere meinunterricht.de zeigen dies – und erfreuen den modernen, technik affinen Lehrer von heute. Oder? Das Angebot von MeinUnterricht.de - denn nur dies funktioniert zur Zeit zumindest schon im Betatest, habe ich mir näher angesehen. Es will eine schnelle Lösung für den modernen Lehrer bieten, sieht schick aus, fühlt sich Web2.0-ig an, hat einen Blog, Chat und wird von einem jungen Team bei k.lab Berlin gecoded.

Ein YouTube-Video gibt es auch. Dieses schildert uns das Leid einer jungen Lehrerin, die ihre Unterrichtsvorbereitungen mühevoll am heimischen Rechner in der digitalen Domäne erstellt, um morgens dann übermüdet in der Schule anzukommen - natürlich ohne den USB-Stick auf dem die Vorbereitungen zum ausdrucken gespeichert sind. Wer Lehrer ist, kennt diese Geschichten. Doch damit ist jetzt Schluß!

Virtuelle Schreibtische

Am Mittwoch wird „meinunterricht.de“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist die erste Plattform, die für Lehrer im großen Stil Lehr-Lern-Materialien online zur Verfügung stellt. Derzeit kostet das Monatsabo 9,90 Euro, alle Arbeitsblätter etc. sind mit dem Kauf lizenziert. Die taz-Bildung hat zwei LehrerInnen die Plattform testen lassen. Eine engagierte Lehrerin einer Grundschule, die bislang ihren Unterricht nicht aus dem Netz vorbereitet hat. Und ein Lehrer eines Gymnasiums, der bereits mit den neuesten digitalen Geräten und Plattformen arbeitet.

MeinUnterricht.de bietet die Möglichkeit online im Webbrowser auf bekanntes und qualitativ hochwertiges, einsatzerprobtes Material der Verlage AOL, Auer, Persen, Friedrich und Raabe zuzugreifen und auf virtuellen „Schreibtischen“ einzelne Arbeitsblätter abzulegen und zu ordnen. Dies geschieht – ganz up to date – in der Cloud und ist angeblich von überall abruf- und ausdruckbar.

„#omg, ein Web2.0 zum Ausdrucken“, wird der nerdige Kollege nun in sein Smartphone twittern. Stimmt! Aber: Erst mal besser machen! Die Plattform gefällt vom Look and Feel und funktioniert im Beta recht stabil, vorausgesetzt man hat den richtigen Browser im Einsatz und nutzt kein Tablet oder gar Smartphone, wie es der @tastenspieler gerne tut, denn da geht noch nicht wirklich viel.

Keine Panik: Bei Problemen gibt es eine Hilfe und einen Chat, der schnell antwortet oder technische Abhilfe schafft. Bei einem Preis von minimal 10 Euro pro Monat zur Einführung und mit einem bisherigen Angebot für Deutsch, Mathematik, Physik, Geschichte und Erdkunde ist dies allerdings zu erwarten und kein Sonderangebot.

Nicht up-to-date

ist Lehrer und Musiker. Er setzt zusammen mit mehreren Kollegen an der Kölner Kaiserin-Augusta-Schule Tablets im Unterricht ein.

Dafür sind die Materialien dann aber beliebig und frei wählbar und können - so angekündigt, zumindest innerhalb der Plattform mit anderen Nutzern bearbeitet und ausgetauscht werden. Dies ist zum Teil dringend notwendig, denn up-to-date sind die Materialien medientechnisch gesehen nicht.

Aber Geduld: Editor und Sharing-Funktion sind noch in Planung. Da wird der Wind in den Segeln dann doch etwas flau, sind dies doch essentielle Funktionen, die andere Plattformen, wie der seit letzter Woche vom Internetgiganten Google bereitgestellte „Course Builder“, neben integrierten Funktionen wie Videohangouts, YouTube, Officeapps und Speicherplatz mal eben für lau anbietet.

Als @tastenspieler mag man dann auch gar nicht die Sprache auf den iTunesU Course Manager der Firma Apple bringen, mit dem der moderne Lehrende seinen Lernenden2.0 mal im Handumdrehen und in hochwertigem Design mit Audio, Video, Bildern und Dokumenten bepackte Unterrichtseinheiten auf die iPads und Pods zaubern kann - ebenfalls umsonst.

David gegen Goliath: So ähnlich mutet der Vergleich an, denn honoriert werden muss, dass hier endlich ein Schritt getan wird, um hochwertige Materialien digital verfügbar zu machen. Und dass, wie man es dem Autor versichert hat, „die fehlenden Funktionen“ bald schon nachgeliefert werden. Auch Lehrer in Deutschland leben in einer digitalen Welt, brauchen dringend die Möglichkeit hier ihren Unterricht einfach und rechtssicher vorzubereiten - genau wie zu analogen Zeiten.

Zudem darf man nicht vergessen, dass selbst der moderne Lehrer nicht unbedingt mit nerdigen Tools herumzaubert, für die man oft HTML-Kenntnisse benötigt. Er wünscht sich einfach mal gerne seine Materialien legal-digital auf dem Mobilgerät oder in der Cloud, nebenbei mehr Zeit für den Latte-Machiatto mit Renato und kein ewiges Copy, Paste und Undo am Schreibtisch. Geschenkt.

Lichtjahre von OER entfernt

Von den OER (Open-Educational-Resources), also frei verfügbaren Bildungsmaterialien, ist ein Verlag und auch eine Plattform wie MeinUnterricht.de natürlich Lichtjahre entfernt. Mein Lehrer-Kollege @herrlarbig trifft es in einem Zitat auf twitter: „Wenn Lösungen kommen, die zukunftsorientiert sind und in digitalen Zusammenhängen funktionieren, bitte schön. Dann kann es weiter ein friedliches Nebeneinander von (oft nicht lizensierten und deshalb keine OER seienden) Materialien in Lehrmaterialforen und Schulbuchverlagen geben.“

Dass David Klett, dem Geschäftsführer von MeinUnterricht.de ernst ist mit seiner neuen Plattform, zeigt sein Mut, die OER-Crowd auf der Unkonferenz „OER-Camp“ am vergangenen Wochenende in Bremen zu besuchen und an Diskussionen teilzunehmen.

Er weiß, dass die Zukunft in online verfügbaren und teilbaren Lernmaterialien steckt, die kollaborativ (weiter-)entwickelt werden können. Er weiß auch, dass er einen Weg finden muss, diese anzubieten und trotzdem zu verdienen. Vom Reden über OER entsteht kein neues Material - MeinUnterricht.de aber ist ab heute real. Deshalb ist dieses Angebot für mich ein großer Schritt in Richtung digitale Schultasche. Dafür drücke ich, trotz langer Wunschliste beide Augen zu, sage Segel setzen und mit offenen Augen und OERen volle Fahrt voraus! Schiff Ahoi.

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