Neururer-Interview: "Die Bayern bekommen ein Problem"

Der Rekordmeister hat sich zwar durch seine Einkäufe irrsinnig verstärkt, muss jetzt aber erst noch eine Mannschaft werden, sagt der Fußballtrainer Peter Neururer.

Derzeit auf den Stadiontribühnen im Einsatz - Peter Neururer. Bild: dpa

taz: Herr Neururer, wie bereitet sich ein arbeitsloser Trainer auf die Bundesligasaison vor?

Peter Neururer: Eigentlich kann ich mich gar nicht vorbereiten, denn ich weiß ja nicht, was in dieser Saison so alles auf mich zukommt. Derzeit arbeite ich in der Fußballschule von Rudi Völler auf Mallorca. Am Wochenende fliege ich immer nach Gelsenkirchen, um mir die Bundesliga anzuschauen. Morgen gehe ich zu VfL Bochum gegen Werder Bremen, den Rest gucke ich im Fernsehen.

Hoffen Sie insgeheim, dass ein Kollege schnell entlassen wird und Sie dadurch wieder als Bundesligatrainer arbeiten können?

Natürlich gönne ich keinem Kollegen einen Rausschmiss. Aber, und das zeigt die Bundesligageschichte von über vierzig Jahren, es wird auch in dieser Spielzeit wieder einige Trainer erwischen. Deshalb gehe ich davon aus, dass ich auch wieder schnell einen Job bekomme. Es gibt aber auch Fälle, wo Trainer von sich aus kündigen, weil es einfach keine Basis der Zusammenarbeit im Verein gibt. Es muss also nicht immer gleich eine Entlassung geben, um zum Zug zu kommen.

Gehen sie als arbeitsloser Trainer auch deshalb in die Stadien, um zu zeigen, schaut her, ich bin bereit?

Ich setze mich sicher nicht nur aus diesem Grund auf die Tribüne. In erster Linie will ich Fußball sehen und auf dem aktuellen Informationsstand sein. Das brauche ich, um, wenn ich gefragt werde, schnell wieder einsteigen zu können. Nur weil ich arbeitslos bin, kann ich mich ja nicht zu Hause einschließen. Wenn ich aber weiß, ich bringe einen Kollegen durch meine Stadionpräsenz in Schwierigkeiten, dann halte ich mich zurück.

Das Trainerdasein hat sich gewandelt, Trainer inszenieren sich zunehmend als Showstars. Stimmt das?

Nicht ganz. Natürlich arbeiten wir Trainer immer noch im taktischen und spieltechnischen Bereich. Das machen Trainer, seit es den Fußballsport gibt. Nur, dafür interessiert sich die Öffentlichkeit nicht mehr. Den Medien geht es vielmehr um die öffentliche Präsentierung des Trainers. Dadurch ist der Druck auf uns Trainer viel größer geworden, auch von der Seite der Sponsoren. Wir machen das mit. Die einen schlecht, die anderen besser. So was kann man nicht lernen.

Zur neuen Saison. Kann eigentlich eine andere Mannschaft als Bayern München deutscher Meister werden?

Klar geht das. Es ist ja auch in der letzten Saison ein anderes Team als Bayern München Meister geworden. Die Münchener haben sich zwar durch ihre Einkäufe irrsinnig verstärkt. Doch sie werden ein Problem bekommen. Sie müssen nämlich erst eine echte Mannschaft werden. Das aber braucht einige Zeit. Bayern ist zwar Favorit, aber ich traue auch Schalke 04, dem VfB Stuttgart und Werder Bremen die Meisterschaft zu.

Bei den Bayern, aber auch in vielen anderen Teams der Bundesliga dominieren die ausländischen Spieler. Sind Sie für eine Quote, die eine bestimmte Anzahl von deutschen Spielern in der ersten Elf vorschreibt?

Das Phänomen gibt es ja nicht nur in der Ersten Bundesliga, sondern gilt im gesamten bezahlten deutschen Fußball bis hinunter in die Regionalliga. Ich halte das für äußerst bedenklich, weil es die Entwicklungschancen der deutschen Spieler stark einschränkt. Was aber nicht heißen soll, dass ich gegen Ausländer in der Bundesliga und anderswo bin, ganz im Gegenteil. Eine Quote im Fußball fände ich aber sehr sinnvoll. Sie ist jedoch vom Deutschen Fußball-Bund nicht durchsetzbar, weil sei gegen geltendes EU-Recht verstoßen würde.

Wird es in der neuen Spielzeit große Änderungen in den Spielsystemen der Teams geben?

Sicher nicht. Was in den vergangenen Jahren angeblich alles an Neuheiten und revolutionären Ideen von angeblich modernen, jungen Trainern in den Fußball interpretiert wurde, war doch längst ein alter Hut. Nehmen Sie die Viererkette zum Beispiel, die hat doch Schalke schon vor hundert Jahren gespielt. Was soll denn daran modern sein, wenn sie nun die Bundesligamannschaften wieder praktizieren? Der Fußball entwickelt sich viel langsamer, als viele denken.

Würden Sie als Trainer ihrem Arbeitgeber raten, 13-jährige Talente zu kaufen, so wie Bayern München den Peruaner Larrauri Corroy?

Die Bayern können und sollen machen, was sie wollen. Ich frage mich allerdings, wo wir sind, wenn in Deutschland schon 13-jährige Kinder am Spielermarkt gehandelt werden. Unfassbar! Für mich ist das ein wirklich unsoziales Verhalten gegenüber Kindern. Wer glaubt, dass ein 13-Jähriger in sieben Jahren so spielen kann wie ein Maradona, hat von Entwicklungspsychologie keine Ahnung. Aber vielleicht hat Uli Hoeneß den jungen Burschen ja aus Peru geholt, um ihn aus dem sozialen Elend herauszuholen. Die Bayern sind ja bekannt für ihre soziale Ader. Und das meine ich ernst.

INTERVIEW: TORSTEN HASELBAUER

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