Niederländer gibt Auszeichnung zurück: Zu viel des Leides

Henk Zanoli versteckte zur Nazi-Zeit einen jüdischen Jungen. Nun will er kein „Gerechter unter den Völkern“ mehr sein, weil in Gaza sechs Angehörige starben.

Die Gedenkstätte Yad Vashem vergibt den Titel „Gerechter unter den Völkern“ für nichtjüdische Personen, die sich in der NS-Zeit verdient gemacht haben Bild: dpa

TEL AVIV/AMSTERDAM dpa | Aus Protest gegen „Morde“ Israels in Gaza hat der 91-jährige Niederländer Henk Zanoli seine Auszeichnung als „Gerechter unter den Völkern“ zurückgegeben. Sechs seiner Familienmitglieder seien bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen getötet worden. Die israelische Zeitung Haaretz veröffentlichte am Freitag einen entsprechenden Brief Zanolis. Dessen Familie hatte während des Zweiten Weltkriegs ein jüdisches Kind versteckt und damit vor den Nazis gerettet.

„Angesichts unserer Geschichte ist es besonders schockierend und tragisch, dass wir vier Generationen später wieder mit Morden an Familienmitgliedern konfrontiert sind“, schrieb Zanoli. „Morde, die vom israelischen Staat verübt wurden." Die Auszeichnung zu behalten würde das Andenken seiner Mutter beschämen, die ihr Leben riskiert habe, um anderes Leben zu erhalten. Henk Zanoli und seine Mutter (posthum) hatten die Auszeichnung im Juni 2011 von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem verliehen bekommen.

Zanolis Großnichte ist nach Medienberichten mit einem Palästinenser verheiratet, dessen Haus in Al-Bureidsch am 20. Juli von einer israelischen Bombe getroffen worden sei. Dabei starben demnach sechs Menschen, darunter ein Zwölfjähriger. Weder die Großnichte noch ihr Ehemann seien zu dem Zeitpunkt in Gaza gewesen. Die israelische Armee erklärte, sie habe keine Informationen zu dem konkreten Angriff. Die Gefechte zwischen der Armee und militanten Palästinensern seien in dieser Gegend aber besonders stark gewesen.

Zanolis Familiengeschichte macht die ganze Tragik dieses Geschehens deutlich: Mehrere Angehörige seien im Widerstand gegen die Nazi-Besatzer aktiv gewesen, berichtete der Sender RTL in den Niederlanden. Zanolis Vater sei im Februar 1945 im Konzentrationslager Mauthausen gestorben, ein Schwager sei von den Nazis hingerichtet worden, ebenso dessen Bruder, der eine jüdische Verlobte hatte.

Obwohl ihnen die tödliche Gefahr bewusst gewesen sei, hätten Henk Zanoli und seine Mutter bei sich zu Hause in Eemnes, unweit von Utrecht, den elfjährigen Elchanan Pinto versteckt. So wird es auf der Website von Yad Vashem beschrieben, der „Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust“.

Unter Lebensgefahr habe Zanoli als 25-Jähriger Elchanan im Zug aus Amsterdam vorbei an zahlreichen Kontrollen nach Eemnes geschmuggelt. Von 1943 bis zur Befreiung der Niederlande 1945 habe der Junge bei den Zanolis „ein warmherziges und liebendes Zuhause“ gehabt. Seine wirklichen Eltern und seine Geschwister wurden alle in Konzentrationslagern ermordet.

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