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Niederlage für UmweltministerBundesregierung verzögert europäisches Klimaziel

Die Bundesregierung hat eine rasche Abstimmung über das EU-Klimaziel verhindert. Noch ist der ehrgeizige Vorschlag der EU-Kommission aber nicht tot.

Die Bundesregierung steht beim Klimaziel für 20240 erst mal auf der Bremse Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Die Bundesregierung verzögert die Abstimmung über das EU-Klimaziel für 2040. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums bestätigte der taz, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit den anderen EU-Regierungschef*innen über den Vorschlag der EU-Kommission beraten will, bevor die Um­welt­mi­nis­te­r*in­nen abstimmen sollen.

Ursprünglich sollten die EU-Umweltminister*innen am kommenden Donnerstag über den Vorschlag der EU-Kommission abstimmen. Nun wird eine Entscheidung erst im Oktober fallen können, weil die EU-Regierugnschef*innen frühestens am 1. Oktober zu einem informellen Europäischen Rat zusammenkommen werden.

Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass die EU-Staaten bis 2040 ihre Treibhausgasemission um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, will die EU-Kommission den Mitgliedsländern erlauben, drei Prozent dieser Verringerung durch außereuropäische Klimaschutzprojekte zu erreichen.

In der Vergangenheit wurde bei diesen Projekten häufig betrogen. Der Expert*innen-Rat für Klimafragen der EU-Kommission hatte ein Klimaziel von 90 bis 95 Prozent ohne die Anrechnung außereuropäischer Projekte empfohlen.

Mit ihrer Entscheidung stellt sich die Bundesregierung an die Seite Frankreichs, das ebenfalls eine Verzögerung der Abstimmung erreichen wollte. Umweltminister Carsten Schneider (SPD) hatte Anfang der Woche ausdrücklich gefordert, dass die Um­welt­mi­nis­te­r*in­nen am kommenden Donnerstag über den Vorschlag der Kommission abstimmen sollen.

Vorschlag der EU-Kommission noch nicht tot

„Ich erwarte, dass wir jetzt in der Bundesregierung an einem Strang ziehen und uns gemeinsam dafür einsetzen, dass im nächsten Umweltministerrat eine Beschlussfassung erfolgt“, sagte der SPD-Politiker dem Spiegel. „Um es klar zu sagen: Wer das neue europäische Klimaziel für 2040 blockiert und die notwendigen Beschlüsse verzögert, handelt gegen deutsche Interessen und riskiert einen teuren deutschen Sonderweg.“

Verzögert ist der Beschluss nun jedenfalls. Ob die Bundesregierung damit das Klimaziel abschwächt, ist aber unklar. Merz hatte sich im Laufe der Woche mehrfach zu der Vereinbarung im Koalitionsvertrag bekannt, die ein Klimaziel unterstützt, wie es die Kommission vorschlägt.

Jetzt kommt es darauf an, ob die EU-Regierungschef*innen im Europäischen Rat über das Klimaziel abstimmen, oder es nur beraten. Stimmen sie darüber ab, ist eine Verwässerung sicher: Eine Entscheidung im Europäischen Rat setzt normalerweise Einstimmigkeit voraus und mehreren EU-Ländern geht der Vorschlag der Kommission zu weit.

„Friedrich Merz hat heute den Frontalangriff auf den Klimaschutz gestartet“, sagt der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss. Das Manöver von Merz sei durchschaubar. Im EU-Rat drohe dem Klimaschutz „ein jämmerlicher Tod. Wenn im Europäischen Rat entschieden wird, reicht ein Veto – und Orbán steht bereit.“

Ob die Re­gie­rungs­che­f*in­nen entscheiden, ist aber noch nicht klar. Falls sie den Vorschlag aber nur beraten und die Entscheidung an die Um­welt­mi­nis­te­r*in­nen verweisen, wäre der Vorschlag der EU-Kommission noch nicht tot: Dort ist nur eine qualifizierte Mehrheit nötig, die mit Deutschlands Zustimmung wahrscheinlich wäre.

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