Niederlandes Sieg bei der Fußball-EM: „Einfach besser“

Die Fußball-EM hat ihren verdienten Sieger gefunden und die Hierarchie des Sports komplett durcheinandergewirbelt.

Zwei Frauen in orangefarbenen Fußballtrikots umarmen sich jubelnd

Nicht nur Vivianne Miedema und Lieke Martens jubelten am Sonntag Foto: dpa

ENSCHEDE taz | Mit ihren irrwitzig schnellen und irrwitzig oft angetretenen Tempoläufen zeigte Shanice van de Sanden bereits beim Eröffnungsspiel stellvertretend für das niederländische Team, dass mit einer gewissen Unbekümmertheit einiges möglich ist. Der Spielbericht der neuen Europameisterin van de Sanden in den Katakomben des Stadions von Enschede veranschaulichte gut, wie unsagbar groß diese niederländische Unbekümmertheit selbst im Finale noch war. Als Pernille Harder bereits in der 33. Minute der Ausgleich für die Däninnen zum 2:2 gelang, sagte sie: „Wow, das ist ja ein richtiges Finale“.

So sportlich muss man einen Gegentreffer erst einmal hinnehmen, wenn die große Mehrzahl der 28.112 Stadionbesucher und die Millionen Zuschauer vor den TV-Geräten gerade den großen Traum vom ersten EM-Titel verwirklicht sehen möchte. In der Tat bot dieses EM-Finale ein Offensivspektakel mit großen Einzelkönnerinnen, das viele Experten zuvor schon als ein abgeschlossenes Kapitel der Frauenfußball-Geschichte betrachtet haben, weil bei diesem Turnier selbst die kleinen Nationen mit nahezu undurchdringliche Abwehrketten agierten.

Van de Sanden aber sagte, in der Halbzeiptpause sei man übereingekommen, dass ja eigentlich nichts passiert sei, es quasi noch 0:0 stehen würde, und man einfach wieder hinausgehe und dasselbe mache wie in den letzten Spielen zuvor. Einige Unstimmigkeiten im Defensivverhalten hatte Trainerin Sarina Wiegman in der Kabine angesprochen und mehr Kompaktheit gefordert.

Im Grunde hatte ihr Team, das als Außenseiter in dieses Turnier gestartet war, die makellose Serie eines Turnierfavoriten gespielt. Sechs Spiele, sechs Siege. Bei der Meisterprüfung am Sonntagabend in Enschede stellten die Niederländerinnen zudem unter Beweis, dass man auch Korrekturen vornehmen kann, wenn nicht alles nach Plan läuft.

Niederlande hatten „großartigen Matchplan“

Erst als die Stadionregie nach dem 4:2-Erfolg den Oranje-Schlager „Jij Krijgt Die Lach Niet Van Mijn Gezicht“ („Du kriegst das Lachen nicht aus meinem Gesicht“) einspielten, löste sich die Anspannung der von Sieg und Stimmung überwältigten Spielerinnen vollends auf. Sie tanzten wild über den Rasen.

Das Turnier hatte seine verdienten Siegerinnen gefunden. Zum ersten Mal kamen sie nicht aus Deutschland (8x Europameister), Norwegen oder Schweden. Diese Europameisterschaft hat die Hierarchie des Frauenfußballs komplett durcheinandergewirbelt. Die niederländische Trainerin Sarina Wiegman hob in dieser Angelegenheit noch einmal die Verdienste Dänemarks hervor, die Deutschland im Viertelfinale 2:1 besiegt hatten. „Sie haben damit angefangen, wir haben das fortgestetzt.“

Ebenso wohlwollend ließ der dänischen Trainer Nils Nielsen keine Zweifel darüber, dass die Niederlande den Titel zurecht gewonnen hatten. „Wir haben alles probiert, aber manchmal ist das andere Team einfach besser.“ Es sei nicht einfach als Gastgeber eine EM zu spielen, aber das niederländische Team sei das beste bei dem Turnier gewesen, lobte er. Sie hätten einen großartigen Matchplan gehabt.

Hindernisse bleiben

Das Lob war an Wiegman gerichtet und gewiss nur eines unter hunderten, das die 47-Jährige an diesem Abend zu hören bekam. Aber sie ließ sich von der Stimmung nicht mitreißen, gab sich nicht der Euphorie im Hier und Jetzt hin, sondern nutzte all die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde, zu einem bemerkenswerten Apell. „Wir müssen die gemischten Fußballteams unter neun- und zehnjährigen fördern. Das ist eine Aufgabe für die Klubs und den niederländischen Verband.“ Und sie warb für die weitere Förderung von weiblichen Trainerinnen.

Dass sich die frisch gekürte Europameisterin in der Stunde ihres größten Erfolgs zugleich mahnend und bittend an den eigenen Verband richtete, zeigte zum einen, mit wie vielen Hindernissen der Frauenfußball zum einen noch zu kämpfen hat, zum anderen aber auch wie viele ungenutzte Möglichkeiten noch offen liegen. Die Mittelfeldspielerin Jackie Gronen sagte: „Ich hoffe, dass die Mädels das sehen, was für ein Traum es ist, hier zu spielen.“

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