Niedersächsische Neuwahl im September: Trubel im VW-Land

Stephan Weil hat eine Regierungserklärung mit VW abgesprochen. Die Kritik daran hält er für Wahlkampfgetöse.

Ein alter VW-Bus

VW gehört zu 20 Prozent dem Land Niedersachsen Foto: dpa

BERLIN/HANNOVER taz | Ist Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nur der „vierte Pressesprecher“ von VW, wie ihm die FDP jetzt vorwirft? Diese Frage wird heiß debattiert, seitdem die Bild am Sonntag (BamS) meldete, dass Weil im Oktober 2015 eine Regierungserklärung zur Dieselaffäre vorab an VW schickte, damit der Konzern Kommentare abgeben konnte.

Laut BamS waren anschließend einige kritische Passagen aus der Rede entfernt worden. Dazu gehört etwa der Satz: „Die gegen VW erhobenen Betrugsvorwürfe wiegen schwer.“ Allerdings sparte Weil im Parlament trotzdem nicht mit Kritik – er verwendete statt „Betrug“ jedoch das Wort „Manipulationen“.

Als niedersächsischer Ministerpräsident ist Weil gleichzeitig Mitglied des VW-Aufsichtsrats, da der Konzern zu 20 Prozent dem Land Niedersachsen gehört. Weil verteidigte sein Vorgehen: Wegen der Dieseläffäre habe im Oktober 2015 die Zukunft des VW-Konzerns auf dem Spiel gestanden, auch wegen der Ermittlungen in den USA.

„Unter diesen Bedingungen war es richtig, dass ein von mir selbst geschriebener Entwurf einer Regierungserklärung VW zugeleitet wurde.“ Es sei ausschließlich „um die Prüfung auf rechtliche Belange und Richtigkeit der genannten Fakten“ gegangen.

Vorzeitig eingesetzter Wahlkampf

VW sekundierte: „Es ist völlig üblich, dass Aufsichtsratsmitglieder beabsichtigte Aussagen über Angelegenheiten der Gesellschaft mit dem Unternehmen abstimmen“, sagte ein VW-Sprecher. „Jedes Aufsichtsratsmitglied ist den Interessen der Gesellschaft verpflichtet und hat insbesondere nach dem Aktiengesetz etwaige Vertraulichkeitsinteressen der Gesellschaft zu wahren.“

In Niedersachsen ist der ganze Vorgang schon seit 2016 bekannt. Sowohl der Wirtschaftsausschuss als auch der Landtag haben sich ausführlich mit Weils Regierungserklärung befasst. Für den Ministerpräsidenten handelt es sich bei den Vorwürfen daher nur um „Wahlkampf“.

Der hat in Niedersachsen vorzeitig eingesetzt, weil die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten am Freitag überraschend zur CDU gewechselt ist. Damit hat die rot-grüne Regierungskoalition im Landtag ihre knappe Einstimmenmehrheit verloren.

Über Twesten geht auf ihrer Facebookseite nun ein Shitstorm nieder. Ihr wird „Verrat an der Demokratie“ oder „asoziales Verhalten“ vorgeworfen. Viele halten Twesten für eine „beleidigte Leberwurst“. Ihr Wahlkreis Rotenburg/Wümme hatte sie nicht erneut als Kandidatin für die Landtagswahl aufgestellt. Sie selbst hatte dies als einen Grund für den Wechsel angeführt.

Landtags- wahrscheinlich gleichzeitig mit Bundestagswahl

Nun geht die 54-Jährige in die Offensive. In einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) erklärte sie, dass sowohl „die Grünen als auch die SPD“ gewusst hätten, „dass ich mit dem Kurs meiner Partei in einigen Fragen nicht glücklich war“. Bei Themen wie der Infrastruktur, dem Trinkwasserschutz oder dem Umgang mit dem Wolf sei sie mit ihren Vorschlägen in der Fraktion nicht durchgedrungen.

Den Beschluss ihres Wahlkreises bezeichnete sie als „inszenierte Abwahl“. In ihrer Fraktion habe sie das Gefühl gehabt, „ein politischer Störfaktor“ zu sein. „Das setzt einem zu, und irgendwann kommt es zu einem Vertrauensbruch.“ Es habe jedoch keinen politischen Deal mit der Union gegeben. Dies betonte auch CDU-Fraktionschef Björn Thümler in der gemeinsamen Presseerklärung.

Der Grüne Helge Limburg lässt daran jedoch bei vielen Zweifel aufkommen: Schon im Juni sei Twesten im Landtag auf ihn zugekommen und habe von „einem unmoralischen Angebot der CDU“ gesprochen, sagte er der HAZ.

Ministerpräsident Weil hat sich am Wochenende dafür ausgesprochen, dass die nun notwendigen Neuwahlen gemeinsam mit der Bundestagswahl am 24. September stattfinden sollen. Der Landtag soll am 16. August über seine Auflösung beraten, der Beschluss dazu könnte frühestens am 27. August fallen. Die Abläufe müssten jedoch zuerst von der Landeswahlleiterin geklärt werden. Fraglich ist beispielsweise, ob die kleineren Parteien sich auf den kurzfristigen Termin einrichten können.

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