Niedrige Zinsen beflügeln Investoren: Aktien kaufen und Aktien kaufen

Weil die Investoren nicht wissen, wohin mit dem billigen Geld, kaufen sie Aktien. Und weil das alle tun, steigen die Kurse auf Höchststände. Wann kommt der Sturz?

1-a Frischgeld. Bild: dpa

BERLIN taz | Die alte Börsenregel „Sell in May and go away“ scheint außer Kraft gesetzt. Von der häufig zu beobachtenden vorsommerlichen Flaute an den Aktienmärkten ist in diesem Jahr bislang jedenfalls nichts zu merken. Stattdessen klettern die Aktienkurse gerade auf neue Höchststände.

An der Frankfurter Börse notierte der Aktienindex DAX am Mittwochabend bei nie da gewesenen 8.249 Punkten, und in New York hatte der Dow Jones schon am Dienstag die Marke von 15.000 Punkten übersprungen. Selbst in Japan, wo der Schuldenberg höher und die Rezession anhaltender ist als anderswo, stieg der Nikkei-Index auf den höchsten Stand seit fünf Jahren.

Den jüngsten Zündfunken für das Kursfeuerwerk hatte vergangene Woche die Europäische Zentralbank (EZB) geliefert, als sie den Leitzins in der Eurozone auf das Rekordtief von nur mehr 0,5 Prozent senkte. So können sich Banken noch billiger Geld von der EZB beschaffen. Das sollen sie dann in Form günstiger Kredite an Unternehmen weiterleiten, so die Hoffnung der EZB, die damit dann investieren und so die Konjunktur ankurbeln sollen.

Investiert wird das viele Geld tatsächlich. Aber weil sich mit realen Investitionen in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und hoher Verschuldung nichts verdienen lässt, fast nur an der Börse. Dort treibt es dann die Kurse hoch. Das ist übrigens auch der Grund für die Aktienhausse in den USA und Japan. Auch dort setzen die Zentralbanken auf eine Politik des billigen Geldes.

Zwischen Angst und Angst

Anleger schwanken nun zwischen der Angst, die Kursrally zu verpassen, und der Angst vor drastischen Verlusten – wie seinerzeit beim Crash der Telekom-Aktie und des Neuen Markts Anfang des letzten Jahrzehnts. Damals hatten sich vor allem Kleinanleger die Finger verbrannt und diese seither von Aktien gelassen. Sollen sie wieder einsteigen?

Viele Analysten meinen: ja, trotz der schon jetzt enorm hohen Kurse. Begründung: Die Nachfrage wird hoch bleiben, denn angesichts der historisch niedrigen Zinsen gibt es für renditebewusste Investoren praktisch keine Alternativen zu Aktien. Das Handelsblatt hat die Analysten-Empfehlungen für 110 deutsche Aktien ausgewertet. Demnach stehen 1.239 Kauf- nur 507 Verkaufsempfehlungen gegenüber.

Auffällig dabei ist aber, dass die bei Analysten beliebtesten Aktien im letzten Jahr schon besonders stark zugelegt hatten, teilweise um 50 Prozent und mehr. Handelt es sich bei ihren Empfehlungen vielleicht nicht so sehr um Aussagen über die künftige Kursentwicklung als um eine Bestätigung der bisherigen Gewinner? Um ein bloßes Mitlaufen mit der Herde?

Die New-Economy-Blase

Dafür spricht durchaus einiges, wie ein Blick auf den letzten großen Börsenboom zeigt. In der Euphorie um die New Economy um die Jahrtausendwende herum hatten Analysten geschlossen die Aktien von allen Unternehmen wärmstens empfohlen, die auch nur entfernt etwas mit dem Internet zu tun hatten. Als es zum Crash kam, schrien alle: verkaufen! Für die Anleger war es da zu spät. Sie verloren oft einen Gutteil ihrer in Aktien angelegten Ersparnisse.

Hämisch fragte damals die US-Zeitschrift Business Week: „Wer sagt, dass man mithilfe der Analystenempfehlungen kein Geld machen kann?“ Man müsse nur das Gegenteil dessen tun, was die Analysten raten. Zu einem ähnlichen Schluss kommt jetzt das Handelsblatt: „Wenn sich die meisten Experten einig sind, dass die Kurse nur steigen können, kommt es oft genau andersherum.

Wenn die Euphorie gerade am größten ist, kippt der Markt.“ Und die Euphorie ist tatsächlich groß: „DAX könnte bis auf 10.000 Punkte steigen“, meldete sich am Mittwoch ein Analyst zu Wort, wenn auch vielleicht erst in zwei oder drei Jahren. Manch einen mag hier ein Déjà-vu-Gefühl beschleichen.

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