„No Kings“-Proteste in den USA: Millionen gehen gegen Trump auf die Straße
Bei landesweiten Massenprotesten gegen die Trump-Regierung gehen laut Veranstaltern rund sieben Millionen Menschen auf die Straße.

taz | Zehntausende Menschen haben am Samstag nach Veranstalterangaben in der US-Hauptstadt Washington gegen die Politik der Trump-Regierung demonstriert. Großdemonstrationen gab es nicht nur in Washington, sondern im ganzen Land gegen das, was sich in den vergangenen zehn Monaten in den USA zugetragen hat.
Egal, ob der aktuelle Regierungs-Shutdown, das gewaltvolle Vorgehen der Einwanderungs-Behörde ICE beim Versuch illegale Einwanderer zu verhaften oder Trumps autokratischen Regierungsstil: Viele nutzten die „No Kings“-Proteste dafür, ihre Sorgen über die Zukunft der US-Demokratie auszurücken.
Die Menschen, die am Samstag in tausenden US-Städten und Gemeinden zu Millionen auf die Straßen gingen, haben auf gut Deutsch gesagt die Schnautze voll von Präsident Donald Trump und seiner rechten Regierung.
Eine von ihnen war Melanie Miller. Mit Birkenstock-Sandalen, einem pinken T-Shirt mit der Aufschrift „Fuck Fascism“ und einem Plakat, das darauf anspielte, dass die aus der Maga-Bewegung bekannten roten Kappen ein Zeichen für Rassismus seien, fiel sie in der Menge auf. Bei der Frage, was ihr bei der bisherigen Politik der Trump-Regierung am meisten Sorgen mache, wusste sie nicht, wo sie anfangen sollte.
Gegen Abschiebungen und Faschismus
„Es ist so schwer, das genau zu bestimmen, weil es jeden Tag hunderte Dinge sind. Jeden einzelnen Tag fragt man sich: Was passiert hier? Wir können es einfach nicht glauben“, sagte sie der taz.
Wie Miller dürfte es vielen Demonstranten ergehen. Ein Thema, dem sowohl in den Medien als auch unter den Protestierenden viel Aufmerksamkeit gewidmet wurde, war die aktuelle Einwanderungspolitik des Weißen Hauses. Das Ziel der Trump-Regierung ist es, Millionen von undokumentierten und gewalttätigen Einwanderern abzuschieben. Doch immer wieder treffen die Razzien der ICE-Agenten nicht nur vorbestrafte Kriminelle, sondern auch legale Einwanderer und selbst US-Staatsbürger.
Auf vielen Flaggen, Schildern und T-Shirts war auch deshalb „Fuck ICE“ zu lesen. Auf anderen Schildern stand „Resist Fascism“ (Wehrt euch gegen Faschismus) und „Hände weg von unserer Verfassung“. Unzählige kreative Slogans und Aussagen waren zusehen. Manche auch so vulgär, dass nicht alle davon wiedergegeben werden sollten.
Trotz des Ernsts der Lage herrschte beim Protest in Washington Volksfest-Stimmung. Die Menschen tanzten und sangen. Kinder bemalten Plakate, Senioren mischten sich mit ihren Gehilfen ins Getümmel. Auch wurde viele gelacht. Ein Grund dafür waren die oft ausgefallenen Kostüme und Verkleidungen, die manche Demonstrierenden zur Schau stellten.
Inspiration schienen viele von der „Operation Inflation“ genommen zu haben. Es ist eine Initiative, bei der Demonstrierende farbenfrohe und aufblasbare Kostüme tragen, die meist an Tiere oder Pokémon-Figuren erinnern. Der Trend begann mit einem Demonstranten namens „Portland Frog“, der sich in einem aufblasbaren Froschkostüm an den ICE-Protesten in der Stadt im Bundesstaat Oregon beteiligte.
Trumps Sprecherin: Demonstrierende sind Hamas-Teroristen
In Washington gab es neben Fröschen auch viele Einhörner und Dinosaurier zu sehen. Das friedliche Miteinander stand im großen Kontrast zu dem, wie Republikaner im Vorfeld die Proteste beschrieben hatten. Der Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, erklärte, dass die „No Kings“-Proteste eine Veranstaltung sei, die Menschen zusammenbringe, die Amerika hassen würden.
„Diese Hass-Amerika-Kundgebung. … Die Antifa-Leute, die Pro-Hamas-Leute und die Marxisten, sie alle werden sich auf der National Mall in Washington versammeln“, hatte Johnson bereits am 10. Oktober gesagt. Auch die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, bezeichnete die Demonstrierenden laut CNN als „Hamas-Terroristen, illegale Einwanderer und gewalttätige Kriminelle“.
Von Hass gab es weder in Washington noch bei den mehr als 2.700 anderen No-Kings Veranstaltungen von New York bis San Diego etwas zu sehen oder zu berichten. Bilder aus allen Ecken des Landes zeigten, wie Menschen friedlich ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrgenommen hatten. Viele zeigten sich trotz ihrer Sorgen über die aktuelle Regierung auch patriotisch, schwenkten US-Fahnen oder trugen die US-Flagge wie einen Umhang.
Die Veranstalter in Washington sprachen davon, dass geschätzte 200.000 Menschen an der Demonstration in der Nähe der National Mall teilgenommen hätten. In New York waren es laut Polizei mehr als 100.000. Auch in anderen Städten wie Boston, Chicago, Los Angeles oder San Francisco protestierten Tausende.
Senator: Trump ist korruptester Präsident der US-Geschichte
Laut den Veranstaltern der „No Kings“-Proteste gingen rund sieben Millionen Menschen in allen 50 Bundesstaaten auf die Straße. Bei der ersten „No Kings“-Veranstaltung im Juni sollen es mehr als fünf Millionen gewesen sein. Es war jetzt also die bisher größte Protestbewegung seit Trumps Rückkehr ins Präsidentenamt im Januar und eine der größten in der US-Geschichte.
Miller, die eine zweistündige Autofahrt auf sich genommen hatte, um beim Protest in Washington dabei zu sein, hofft, dass dieser Aktivismus bis zu nächsten Kongress-Wahlen im kommenden Jahr anhalten werden.
„Ich hoffe, dass es bei den Kongress-Wahlen zu einer massiven Veränderung kommt, die ein klares Signal sendet: Es reicht. Ich hoffe, dass der Kongress Mut hat und anfängt, für seine Aufgaben einzustehen, wie zum Beispiel die Kontrolle des Haushalts und die Durchsetzung der beschlossenen Maßnahmen. Ich hoffe, die Justiz erkennt, dass die Bevölkerung genug hat“, sagte sie.
Die Republikaner kontrollieren aktuell neben dem Präsidentenamt auch beide Kammern des US-Kongresses. Hinzukommt, dass die Mehrheit der neun Richter am Supreme Court zum konservativen Lager zählt.
Viele prominente Demokraten und Influencer aus der linken Szene ließen es sich nicht nehmen, an den verschiedenen „No Kings“-Kundgebungen teilzunehmen. Der demokratische Senator Chris Murphy bezeichnete Trump als den „korruptesten Präsidenten in der Geschichte Amerikas“.
Sorge um das Wahlrechte für Schwarze
Auch der langjährige unabhängige Senator Bernie Sanders ließ es sich nicht nehmen auf der Veranstaltung zu sprechen. Er warnte vor einem Präsidenten, der behauptet, dass „friedliche Proteste in Portland (Oregon) oder Chicago (Illinois) seien ein Aufstand, und das US-Militär einsetzt“, und „der die Medien beschwichtigt und einschüchtert, der keine Kritik an sich und seiner Politik will und der den ersten Zusatzartikel unserer Verfassung untergräbt, das Fundament der amerikanischen Demokratie“.
Der erste Zusatzartikel der US-Verfassung gibt den Menschen das Recht auf Meinungs-, Presse-, Religions-, Versammlungs- und Petitionsfreiheit. Diese Grundrechte animierten auch den Studenten Owen Belamaric am „No Kings“-Protest in Washington teilzunehmen. „Es ist meine Pflicht als Amerikaner“, sagte er der taz. Er trug ein schwarzes Shirt mit der Aufschrift „Dump Trump“ (Trump fallenlassen). Seine größte Sorge sei die Untergrabung des Wahlrechts durch Trump.
„Ich habe das Gefühl, dass die Regierung versucht, den Schwarzen das Wahlrecht zu entziehen“, sagte er. Führende Wahlrechtsexperten äußerten in den vergangenen Monaten ähnliche Bedenken. Die große Beteiligung an den Protesten gäbe ihm jedoch Hoffnung, dass die Menschen langsam merkten, dass der Präsident nicht die Interessen der Bevölkerung in den Vordergrund stellt.
„Der heutige Protest zeigt mir, dass das amerikanische Volk endlich aufwacht. Ich bin wirklich stolz auf meine Mitbürger. Ich habe das Gefühl, dass die große Anzahl von Teilnehmern etwas bewirken kann. Genau das ist es, was Amerika ausmacht“, sagte der 21-jährige Student der Kunstgeschichte.
Trump: Ich bin kein König
Da sich der „No Kings“-Protest in Washington vor allem auf der Pennsylvania Avenue abgespielt hatte, also auf der Straße, die das Kapitol mit dem Weißen Haus verbindet, lag ein großer Fokus des Events auf dem aktuellen Haushaltsstreit im Kongress. Die USA befinden sich seit 1. Oktober in einem Regierungs-Shutdown. Viele Staatsangestellte befinden sich im Zwangsurlaub, andere müssen ohne Gehalt weiterarbeiten.
Republikaner hoffen, dass Demokraten nach der großen Protestwelle vom Samstag gewillt sind, die Regierung mit einem Übergangshaushalt wieder ans Laufen zu bringen. Der republikanische Abgeordnete Steve Scalise konfrontierte den demokratischen Senator Chuck Schumer am Freitag damit, dass dieser es für wichtiger halte, die Demonstranten der „Hass-Amerika-Kundgebung“ zu beeindrucken als sich auf einen Deal einzulassen.
Demokraten bestreiten, dass die Proteste einen Einfluss auf ihr politisches Kalkül hätten. Präsident Trump hat sich überraschenderweise bisher noch nicht zu den friedlichen Protesten im ganzen Land geäußert. In einem Interview mit Fox News erklärte er nur, dass er kein König sei.
Im Vorfeld der Proteste hatten manche Teilnehmenden Bedenken geäußert, eine Teilnahme könnte sie zu einem Ziel der Regierung machen. Dies geht auf einen Erlass zurück, den Trump kurz nach der Ermordung des ultrarechten Aktivisten Charlie Kirk erlassen hatte. Darin erklärt Trump Antifa als heimische Terrororganisation. Es gibt bislang keine Informationen, dass eine Protestteilnahme strafrechtliche Konsequenzen haben könnte.
Die Millionen von Menschen, die an den „No Kings“-Protesten am Samstag teilgenommen haben, zeigen, wie groß der Widerstand gegen Trumps Politik ist. Es gab auch Gegenproteste, doch diese blieben überwiegend klein.
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